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Somalia: Abzug der äthiopischen Armee

Nach seiner bewaffneten Intervention in Somalia zur Niederwerfung der Islamisten erwägt Äthiopien nach offizieller Darstellung keine dauerhafte Militärpräsenz in dem Nachbarland.

Regierungschef Meles Zenawi stellte am Dienstag einen Truppenrückzug in etwa zwei Wochen in Aussicht. Die äthiopischen Truppen seien keine Friedenstruppen, sagte er vor dem Parlament in Addis Abeba. Um nach dem äthiopischen Abzug ein Vakuum zu verhindern, müsse die internationale Gemeinschaft rasch eine Friedenstruppe in Somalia stationieren.

„Wir werden noch einen kleinen Augenblick in Somalia bleiben, bis Stabilität herrscht“, kündigte der Premier an. Das könne in zwei Wochen der Fall sein. Die äthiopische Armee und Verbände der von Äthiopien abhängigen Übergangsregierung in Baidoa hatten die Hauptstadt Mogadischu eingenommen, die vergangene Woche von den Islamisten des „Rates der Islamischen Gerichte“ kampflos geräumt worden war. Der UNO-Sicherheitsrat in New York hatte sich nicht auf einen Aufruf zum Abzug ausländischer Truppen aus Somalia einigen können. Die von Eritrea und arabischen Ländern unterstützten Islamisten haben einen Guerillakrieg angekündigt.

Die Übergangsregierung erneuerte am Dienstag ihr Angebot einer Amnestie für die islamistischen Kämpfer. „Jedem, der seine Waffen abgibt, wird verziehen“, sagte Verteidigungsminister Oberst Abdikadir Adan während einer Siegesfeier in der südlichen Hafenstadt Kismayo. Nach der Einnahme dieser letzten Islamisten-Hochburg kontrollieren somalische Regierungstruppen und ihre äthiopischen Verbündeten alle bisherigen Stellungen der islamistischen Milizen im Zentrum und im Süden. In den Landesteilen Somaliland und Puntland im Norden und Nordosten bestehen separatistische Regierungen.

In seiner Rede vor dem Parlament in Addis Abeba sagte Ministerpräsident Meles Zenawi: „Wir fordern die Regierung von Somalia auf, hart gegen eine Rückkehr des Warlord-Systems vorzugehen“. Die somalischen Warlords, von denen einige in der Übergangsregierung sitzen, hatten nach dem Sturz des Diktators General Mohammed Siad Barre 1991 Chaos und Anarchie in dem ostafrikanischen Land verbreitet. Ihr Einfluss wurde schließlich durch die Islamisten eingedämmt.

Der äthiopische Regierungschef hatte am Vortag erklärt, die mit Zustimmung der USA geführte Militäroffensive sei zu 75 Prozent abgeschlossen. Die Armee werde noch einige Wochen weiterkämpfen, bis Extremisten und ausländische Kämpfer, die die Islamisten unterstützten, endgültig besiegt seien. Die Operation sei zur „Selbstverteidigung“ sowie zur Unterstützung der Übergangsregierung gegen Angriffe von „Terroristen“ erfolgt. Nach Angaben von Zenawi wurden bis zu 3000 islamistische Milizionäre getötet. Der Flughafen von Mogadischu soll ab Mittwoch wieder geöffnet werden. Wie der Chef der Übergangsregierung, Ali Mohammed Gedi, am Dienstag in der Hauptstadt ankündigte, müssen Fluggesellschaften und Hilfsorganisationen vor Starts oder Landungen bei der Regierung eine Erlaubnis einholen.

Eritrea hat unterdessen den USA Kriegstreiberei in Somalia vorgeworfen. „Dies ist ein Krieg zwischen den USA und dem somalischen Volk“, sagte Informationsminister Ali Abdu. Der Wille des somalischen Volkes und der Wunsch nach einem Leben in Frieden und Harmonie könnten aber nicht unterdrückt werden. Die Milizen des „Rates der islamischen Gerichte“ hatten sich im Juni vergangenen Jahres in schweren Kämpfen gegen die von den USA unterstützte Warlord-„Allianz für die Wiederherstellung des Friedens und gegen Terrorismus“ (ARPCT) durchgesetzt, deren Führer jetzt zur Übergangsregierung gehören. Auf den Einmarsch der Äthiopier hatten die Islamisten mit der Ausrufung des „Heiligen Kriegs“ reagiert. Die USA beschuldigen die islamischen Gerichte, Mitglieder des Terrornetzwerks Al-Kaida zu schützen. 1977/78 hatten Äthiopien und Somalia einen verlustreichen Krieg um die Region Ogaden geführt. Damals unterstützte die Sowjetunion Äthiopien, Siad Barre brach daraufhin mit Moskau und erhielt US-Waffenhilfe. Nach dem Sturz von Siad Barre vor über 15 Jahren versank Somalia in Chaos und Anarchie.

Somalische Hauptstadt ist ein Ruinenfeld

Somalias Hauptstadt Mogadischu (Mogadiscio) gleicht einem römischen Ruinenfeld. Ganze Straßenzüge der einst im italienischen Kolonialstil errichteten Metropole liegen nach 16 Jahren Bürgerkrieg in Trümmern. Kinder hüten zwischen russschwarzen Steinbrocken Ziegen und verstecken sich im Schatten verfallender Denkmäler. Die einzigen Fahrzeuge in den Straßen sind Eselkarren und Minibusse, die so schnell fahren, als müssten sie noch immer Geschossen ausweichen. Nach dem Rückzug der Islamisten ist die Ausgangsbasis für den Aufbau einer neuen Verwaltung und Infrastruktur in der Stadt mit rund 1,2 Millionen Einwohnern denkbar schlecht.

Auch politisch sind die Konflikte nach der Einnahme Mogadischus durch die von Äthiopien abhängige Übergangsregierung unter Ministerpräsident Ali Mohammed Gedi keineswegs beendet. In vielen zerstörten Gebäuden verstecken sich islamistische Kämpfer. Zwar haben viele von ihnen ihren Turban und ihre Uniformen abgelegt, nicht aber ihre Gesinnung. Während Gedi die Kämpfer zur Waffenabgabe aufforderte, kündigte der Kommandant der islamistischen Milizen, Sheikh Yakub Moalim Ishak, eine Guerillataktik an. Die Islamisten würden nicht aufgegeben, sagte Ishak. Die Milizen der Islamischen Gerichte seien immer noch stark und bereit weiterzukämpfen.

Feindlich gesonnen ist Gedi auch sein eigener Clan, die Mogadischu beherrschenden Hawiye. Für die Clan-Mitglieder ist Gedi ein Verräter, der sich mit dem rivalisierenden Clan der Darod verbündet hat. Der Ärger der Hawiye war einer der Gründe, warum Gedi mit seiner 2004 im Exil in Kenia gebildeten Übergangsregierung in Mogadischu nie richtig Fuß fassen konnte und ins rund 250 Kilometer nordwestlich gelegene Baidoa ausweichen musste.

„Das macht es keineswegs einfach für Gedi“, analysiert der Somalia-Experte und Berater der International Crisis Group (ICG), Matt Bryden. Für die Hawiye sei Gedi ein Vertreter der Darod und der vor allem in Mogadischu ungeliebten Äthiopier. Es werde Widerstandsaktionen der Hawiye geben, von denen die Islamisten profitierten. „Die Parallelen zum Irak sind beunruhigend“, meint Bryden.

Auf welche Seite sich die Bevölkerung Mogadischus schlägt und ob sie sich in mögliche Stammeskämpfe hineinziehen lässt, ist offen. Die Sorgen der Menschen betreffen das alltägliche Leben: Alles, was irgendwie brauchbar sei, nehmen die Menschen mit, sagte ein Passant. Von dem seit Jahren verlassenen Gebäude des Erziehungsministeriums steht nur noch das Gerippe. Von den Fensterrahmen bis hin zu den Stromkabeln wurde alles ausgeweidet. Beim ehemaligen Verteidigungsministerium liegt von Gebüsch überwuchert eine Friedhof für Militärfahrzeuge, die aus der Zeit der UNO-Mission von 1993 bis 1995 stammen.

Wann die letzte Vorstellung in Mogadischus Nationaltheater stattgefunden hat, wissen weder die alten Männer, die sich auf den Stufen ausruhen, noch die Kinder, die dort Fußball spielen. „Das muss in den 70er Jahren gewesen sein“, vermutet Ephraim Ali Mohammed, der sich als Schauspieler vorstellt. „Ich erinnere mich, dass es großartig war, mit einem Orchester und Tanz.“ Auch das Stadion dient schon lange nicht mehr seinem eigentlichen Zweck. Heute leben dort Flüchtlinge in Hütten, direkt hinter dem Platz, auf dem der 1991 gestürzte Diktator General Mohammed Siad Barre seine Truppenparaden abhielt. Selbst das ehemalige Postamt der Stadt haben Flüchtlinge zur Wohnstatt gemacht. Aus dem 90 Kilometer entfernten Jowhar sind sie gekommen. Die Halle ist mit Zelten gefüllt. „Hier leben rund 200 Familien“, sagt Ibrahima. Einige leben schon seit zehn Jahren dort. „Wir finden zwar Nahrung, aber es gibt keine Medizin, keine Schulen für uns, nichts.“ Niemand in Mogadischu würde ihnen Hilfe zukommen lassen. „Wir leiden“, sagte der Vater von zwei Kindern.

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