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SP-Chef Kern fordert in Grundsatzrede einen Mindestlohn von 1.500 Euro Brutto

©APA/Barbara Gindl
SPÖ-Chef Kern legte am Mitt­woch sein erstes großes Grund­satz­pro­gramm vor. Unter anderem fordert er ein “mehrheitsförderndes Wahlrecht”, einen “Generalkollektivvertrag”, der 1.500 Euro als Mindestlohn regle sowie Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping.

SPÖ-Chef Christian Kern hat seine erste Grundsatzrede hinter sich gebracht und dabei den rund 1.500 Interessierten durchaus Neues zu bieten gehabt und auch deren anhaltenden Beifall eingesammelt. Auffällig war, dass sich Kern in der Zuwanderungspolitik restriktiv positionierte, den Unternehmern Süßes und Saures bot und auch der eigenen Gefolgschaft einiges aufzulösen gab.

Inszenierung groß geschrieben

Inszenierung war bei der mit großen Erwartungen versehenen Rede wie bei Kern üblich groß geschrieben. Das Auditorium in der Welser Messe-Halle 21 war als eine Art Arena aufgebaut, flankiert war diese von drei überdimensionalen rot-weiß-roten Fahnen. Kern spazierte auf einer roten Scheibe rund um einen Tisch, sprach per Headset und über weite Strecken frei. Egal, welches Thema der Kanzler ansprach, stets war es versehen mit menschelnden Einschüben. Von Erika bis Lisa kam in Erzählungen so manche problembetroffene Österreicherin indirekt zu Wort.

Für die eigene Basis und auch jene, die der SPÖ den Rücken gekehrt haben, schickte der Parteivorsitzende zu Beginn seiner Rede ein ausführliches “Mea culpa” voraus: “Nicht ihr habt euren Weg verlassen, wir haben unseren Weg verlassen. Es ist nicht eure Schuld, es ist unsere.” Daher wolle er sich “für diese Enttäuschungen entschuldigen”.

Vollbeschäftigung als großes Ziel

Danach folgten fast zwei Stunden “Plan A”, also jenes Konzept, mit dem Kern den von ihm schon zu Beginn seiner Amtszeit versprochenen “New Deal” umsetzen will. Über allem steht für den SPÖ-Chef das Ziel, bis 2020 200.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen und damit Vollbeschäftigung herzustellen.

Kern will sich von Arbeitnehmer-Freizügigkeit teilweise verabschieden

Dazu dienen soll auch, dass sich Kern von der Arbeitnehmer-Freizügigkeit in der EU teilweise verabschiedet. Konkret sollen Bürger aus jenen Staaten, deren Lohnniveau nicht einmal 80 Prozent des österreichischen erreicht, nur dann in Österreich tätig sein können, wenn keine heimische Arbeitskraft zur Verfügung steht.

Ohnehin macht Kern klar, dass für ihn offene Grenzen ein No-go sind. Man brauche eine Diskussion mit Augenmaß und Realitätssinn. Für ihn ist klar, dass die weitere Zuwanderung zu begrenzen sei, solange die Integration der schon in Österreich Lebenden nicht abgeschlossen sei: “Wir müssen wissen, dass die Aufnahmefähigkeit unserer Gesellschaft Grenzen hat.” Was Islamisten angeht, sprach sich der Kanzler dafür aus, “mit voller Härte” gegen entsprechende Parolen vorzugehen. Gleichzeitig wandte er sich allerdings dagegen, Integrationspolitik als Instrument zur Profilierung einzelner Politiker oder Parteien zu sehen, eine der ganz wenigen Spitzen gegen den Koalitionspartner.

Notfalls gesetzlicher Mindestlohn

Bisher ein No-Go in der sozialdemokratisch geführten Gewerkschaft war ein gesetzlicher Mindestlohn. SPÖ-Chef Christian Kern will dieses Dogma nun offenbar beenden. Er plädiert in seiner Welser Rede für einen Generalkollektivvertrag, der 1.500 Euro Mindestentlohnung festlegt. Gelinge dieser nicht, will Kern alles tun, um dieses Ziel über gesetzliche Maßnahmen zu erreichen.

Dass künftig Löhne in Unternehmen offen gelegt werden sollen, begründete der SPÖ-Chef damit, dass nur so die panzergläserne Decke für Frauen beim Verdienst beseitigt werden könnte. Eher mit Erstaunen aufgenommen wurde vom Publikum der Wunsch, über 50-jährige Langzeitarbeitslose über Beschäftigung in sozio-ökonomischen Betrieben wieder an den regulären Arbeitsmarkt heranzuführen.

Arbeitszeit: Kern kommt ÖVP entgegen

Was die Arbeitszeit-Flexibilisierung angeht, signalisierte der Kanzler der ÖVP Entgegenkommen. Dafür will er aber, dass sich jeder selbstständig aussuchen kann, ob er gerade einmal Voll- oder Teilzeit arbeitet.

Den vielleicht größten Applaus verdiente sich Kern mit einem roten Klassiker, der Erbschaftssteuer. Die soll den Pflegeregress ersetzen, was das Auditorium geradezu von den Sitzen riss. Der Wertschöpfungsabgabe redete der Kanzler diesmal nur indirekt das Wort, indem er sich dafür aussprach, jene Unternehmer zu belohnen, die für Beschäftigung sorgen.

Uni-Politik: Kern-Ja zu “Leistungsprinzip”

Auffällig war, dass ein parteiintern heikler Punkt nicht einmal einen Klatscher erhielt. Die SPÖ wolle zwar keine sozialen Zugangsschranken für die Unis, jedoch: “Wir müssen auch akzeptieren, dass das Leistungsprinzip mit sozialdemokratischen Vorstellungen zusammenpasst.” Konkret will Kern einen Ausbau der Studienplatzfinanzierung mit Vorteilen für naturwissenschaftliche Fächer. Jahrelange “ideologische Verstrickungen” sollen somit ein Ende finden. Viel besser kamen da schon das Versprechen einer Besserstellung von Lehrlingen sowie von Tablets im Klassenzimmer an.

Seine Idee eines mehrheitsfördernden Wahlrechts verteidigte Kern schon vorab gegen mögliche Kritik: “Ich bin überzeugt, dass das unsere Demokratie lebendiger machen wird.” Die Aussicht darauf, nicht mehr in mühsamen Koalitionen Mehrheiten suchen zu müssen, wusste dem Parteivolk ausnehmend gut zu gefallen.

Starkes Bekenntnis zu Unternehmertum

Für einen Sozialdemokraten vielleicht nicht ganz üblich war das starke Bekenntnis Kerns zum Unternehmertum: “Wir brauchen einen Staat, der unternehmerisch denkt.” Die Steuer- und Abgabenquote will Kern weiter senken, die Staatsverschuldung reduzieren. Gleich revolutionär soll der Umbau der Energiesysteme werden, Österreich zur Gründernation werden, das unter anderem durch eine Senkung der Lohnkosten und eine Entschlackung der Bürokratie: “Mir geht es darum, dass wir Schluss mit Kafka machen.”

Zum Abschluss stellte Kern dann noch in einem Nebensatz klar, dass er seinen “Plan A” nicht als Abschussrampe für eine vorgezogene Neuwahl sieht: “Ich bin überzeugt, dass uns bis zum Herbst 2018 genug zu tun bleibt.” Gehört hat das fast die ganze Partei. Denn außer Wiens Bürgermeister Michael Häupl war die gesammelte rote Prominenz in Wels vertreten.

(APA)

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