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Stabhochspringerin Grünberg nach Unfall querschnittsgelähmt

Kira Grünberg während des Stabhochsprung-Finales der Frauen bei den Leichtathletik-Europameisterschaften im Letzigrund-Stadion
Kira Grünberg während des Stabhochsprung-Finales der Frauen bei den Leichtathletik-Europameisterschaften im Letzigrund-Stadion ©APA
Das Leben und die Karriere von Stabhochspringerin Kira Grünberg hat eine tragische Wende genommen. Nach einem Trainingsunfall am Donnerstag in der die WUB-Halle in Innsbruck ist bei der 21-jährigen ÖLV-Rekordlerin eine Querschnittslähmung diagnostiziert worden.

Die Polizei geht nach derzeitigen Ermittlungsstand von einem Sportunfall ohne Fremdverschulden aus. Die Tirolerin ist am Donnerstag in der Universitätsklinik Innsbruck mehrere Stunden operiert worden. Wie Thomas Herzog, der Manager von Grünberg, der APA – Austria Presse Agentur am Freitag mitteilte, sei wegen der schwerwiegenden Verletzungen “primäres Ziel der Operation der Erhalt der Lebensfunktionen” gewesen. Was die Diagnose der Querschnittslähmung und eine dauerhafte Beeinträchtigung betreffe, sei “von keinem positiveren Verlauf” auszugehen. Das impliziere das Karriereende. “Der Weg, der auf Kira wartet, ist ein anderer, langer, schwieriger.”

Auf Wunsch der schwer geschockten Familie Grünberg wollte Herzog keine Details zu den Verletzungen bekannt geben, die Familie bittet, von Kontaktaufnahme abzusehen. Die Familie habe erst nach dem Wochenende mit der Diagnose an die Öffentlichkeit gehen wollen, musste nach dem Vorpreschen von ÖLV-Präsident Ralph Vallon aber vorzeitig handeln.

“Jetzt geht es nur um Kira”

“Die Familie wollte noch ein paar Tage Zeit, um ein wenig zur Ruhe zu kommen. Ralph Vallon hat aber Donnerstagabend die Querschnittslähmung gegenüber der Tageszeitung ‘Heute’ verkündet, ohne dass das mit uns akkordiert war. Er hat die Familie damit in eine unfassbar unangenehme Situation gebracht”, sagte Herzog.

“Die Auswirkung für unsere Leichtathletik ist vollkommen sekundär. Jetzt geht es nur um Kira. Wir hoffen, dass sich ihr Zustand entgegen der Prognose noch bessern wird”, sagte der hörbar mitgenommene ÖLV-Sportdirektor Hannes Gruber zur APA. Im Namen des ÖLV sicherte er der Familie volle Unterstützung zu, um die bestmögliche Rehabilitation zu gewährleisten und hoffte auch auf Hilfestellung von anderen Stellen.

In Einstichkasten gestürzt

In einem Communique der Traumatologischen Intensivstation der Universitätsklinik Innsbruck hieß es Freitagfrüh, dass bei der Patientin ein Bruch der Halswirbelsäule festgestellt worden sei. “Nachdem bereits vor der Operation eine Querschnittslähmung diagnostiziert wurde, musste die Patientin zur Stabilisierung der Halswirbelsäule und zur Vermeidung weiterer Schäden sofort von einem Team der Unfallchirurgie operiert worden”, lautete es in dem Schreiben.

Die Patientin liegt derzeit auf der Traumatologischen Intensivstation. Über den weiteren Verlauf würden die Untersuchungen der nächsten Wochen Aufschluss geben, hieß es.

Grünberg hatte Donnerstagvormittag mit ihrem Training gerade erst begonnen, als sie bei einem Versuch über geringe Höhe mit dem Kopf voraus in den Einstichkasten stürzte. Ihr Vater Frithjof Grünberg, der auch ihr Trainer ist, und die Mutter waren in der Halle anwesend.

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Sprung in Anfangshöhe

Dass es sich um keinen Rekordversuch, sondern einen Sprung in Anfangshöhe handelte, bestätigte Manager Herzog. “Es war ein ganz normales Training, einer der Anfangssprünge. Kira hat nur acht Schritte gemacht. Bei einem Sprung in den Rekordbereich wären es 16.” Grünberg hatte vergangenes Jahr bei der EM in Zürich mit 4,45 m, die zugleich österreichischen Rekord bedeuteten, sensationell das Finale erreicht. Am Samstag bei einem Meeting in Linz wollte sie auf die 4,50 m losgehen, die sie zur WM nach Peking gebracht hätten.

ÖLV-Trainer Herwig Grünsteidl erläuterte auf APA-Anfrage generell den Aufwärmprozess beim Stabhochsprung: “Normalerweise macht man am Anfang Sprünge mit kurzem Anlauf, greift den Stab niedrig, biegt ihn nicht. Die Füße gehen ganz nach oben, der Kopf nach unten. Wenn man beim Absprung zu weit weg oder zu nah ist, kann das verhindern, dass sich der Stab ganz aufstellt. Das ist im Stabhochspringen nicht unwahrscheinlich.”

Für jeden Sprung gelte, wenn etwas schiefgehe, könne es gefährlich werden. “Da sind sicher unglückliche Umstände zusammengekommen. Es ist ein Jammer. Den Sprung hat Kira sicher x-tausend mal schon gemacht.”

Kein technisches Gebrechen

Der Einstichkasten ist aus Metall oder aus Hartplastik. “Die Kraft, die bei so einem Aufwärmsprung wirkt, ist nicht dramatisch, aber Kopf voraus runter ist ein Wahnsinn. Mit Glück kann man sich mit den Händen abfangen. Die Höhe beträgt bei so einem Sprung vielleicht drei Meter, das ist nicht wirklich hoch, aber da hast du nicht viel Zeit, dass du was machst.”

Die Polizei Innsbruck hat ihre Erhebungen noch nicht vollständig abgeschlossen, es weise aber nichts auf ein technisches Gebrechen hin, hieß es auf Anfrage. Laut aktuellem Ermittlungsstand werde Fremdverschulden ausgeschlossen, der Betrieb in der Halle laufe weiter.

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Stabhochsprung ist Risikodisziplin

Dass der Stabhochsprung die gefährlichste Disziplin in der Leichtathletik ist, unterstreicht die Statistik mit mehreren Todesfällen. Der Tirolerin Kira Grünberg, bei der nach einem Trainingssturz eine Querschnittlähmung diagnostiziert worden ist, hätte aber vermutlich auch ein Helm nicht geholfen. Teamkollege Dominik Distelberger hat selbst bereits Stürze glimpflich überstanden.

“Da muss bei Kira wirklich alles ganz blöd zusammengekommen sein. Ich bin auch schon in den Einstichkasten gefallen, aber noch nie mit dem Kopf voraus”, sagte Mehrkämpfer Distelberger im Gespräch mit der APA – Austria Presse Agentur. “Sie hat sicher schon tausend Sprünge gemacht und weiß, wie und wann sie was machen muss. Das ist ein extremer Wahnsinn, ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, ich kann der Familie nur alle Kraft wünschen”, fühlt der 25-jährige Athlet vom UVB Purgstall mit.

Einstichkasten nicht wegzudenken

Ein gewisses Risiko springe immer mit, aber man wachse mit der Höhe mit. “Du fängst klein an und je höher du springst, desto mehr Profi wirst du.” Was die Sicherheit betrifft, merkte Distelberger an, dass bereits etwas getan wurde. “Bei den Matten hat es eine Entwicklung gegeben, die sind breiter geworden. Und wenn du im Nackenbereich aufkommst, dann schützt dich ein Helm auch nicht wirklich”, meinte Distelberger. Die Matte muss bei internationalen Bewerben laut Bestimmungen des Weltverbandes (IAAF) mindestens acht Meter lang, sechs Meter breit sowie 80 Zentimeter hoch sein.

Die Kanten des Einstichkastens aus Metalls seien aber scharf, das Einzige, was ihm einfallen würde, wäre, dass nach dem Absprung des Athleten eine Matte darübergeworfen wird, sagte Distelberger. Der Einstichkasten selbst ist aber nicht wegzudenken. “Man braucht ihn einfach.” Veränderungen kann es also nur in Bauweise (Kasten ähnelt einer Rampe) oder Beschaffenheit (Metall) geben.

Diskussion über Helmpflicht

Mit Helm zu springen kann sich Distelberger nicht vorstellen, er kennt aber Helmspringer. “Ein amerikanischer 6-Meter-Springer ist seiner Mutter zuliebe mit Helm gesprungen”, sagte Distelberger. Es handelt sich um Toby Stevenson, der 2004 in Athen Olympia-Zweiter wurde. Die Helmpflicht wurde öfters diskutiert. Aus Amerika sind mehrere Todesfälle bekannt, die sich beim Stabhochsprung ereigneten, so aus den Jahren 2008 und 2009, als junge Athleten jeweils mit dem Kopf auf den harten Boden neben der Matte prallten.

Auch Herbert Czingon, zu dem Grünberg vor der Zürich-EM 2014 viermal zum intensiven Training gereist ist, glaubt nicht, dass der Helm der ÖLV-Athleten geholfen hätte. “Bei bestimmten Verletzungen oder missglückten Landungen auf den Hinterkopf kann es sogar sein, dass ein Helm die Sache noch schlimmer macht. Vielleicht führt dieser furchtbare Fall zu der Entwicklung, die Härte oder die Beschaffenheit des Einstichkastens zu überdenken. Aber 100-prozentige Sicherheit kann es beim Stabhochsprung leider nie geben. Das ist ein Sport, zu dem eine Risikokomponente gehört”, sagte der Stabhochsprung-Trainer für den Schweizer Verband gegenüber der dpa.

Den Unfallhergang bei Grünberg kennt auch Distelberger nicht. “Normal bricht man ab, wenn man merkt, dass man die Tiefe nicht hat.” Wenn der Stab breche, was bei der Tirolerin aber nicht der Fall war, sei man hilflos und müsse versuchen, den Fall so schadlos wie möglich zu überstehen. In jedem Fall versuche man auf der Matte zu landen.

“Ein Freund von mir ist einmal in einem Wettkampf aus vier Metern neben die Matte geflogen. Er hat schief eingestochen, es hat ihn rausgeschossen. Er hat sich Prellungen zugezogen. Es hätte auch bei Kira so sein können, dass sie nur eine Gehirnerschütterung hat oder sich was prellt. So ist das ein Wahnsinn”, sitzt auch bei Distelberger der Schock tief.

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