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Start zur Ära Kurz – Kritik aus vielen Ecken

Angelobung bei guter Stimmung in der Hofburg
Angelobung bei guter Stimmung in der Hofburg ©APA
Österreich wird seit Montag wieder von einer Regierung aus ÖVP und Freiheitlichen regiert.
Demonstration gegen ÖVP/FPÖ-Regierung
Neue Bundesregierung angelobt
Kern übergibt an Kurz


Bundespräsident Alexander Van der Bellen ernannte die 14 Minister und zwei Staatssekretäre des Kabinetts Kurz I in durchaus freundlicher Atmosphäre. Vor den Toren der Hofburg protestierten Tausende gegen die Neuauflage von Schwarz-Blau.

Mit Interesse war erwartet worden, wie der Bundespräsident mit dem Kabinett umgehen wird, hatte er sich doch im Hofburg-Wahlkampf mehr als kritisch gegenüber einer Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen geäußert. Davon war am Montag keine Rede mehr. Betont locker ging es Van der Bellen an, der sogar auf die Nennung von Titeln verzichtete. Die Chefs der Koalitionsparteien wird es nicht gestört haben. Weder Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) noch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sind Akademiker.

Lobende Worte von Van der Bellen

Bei Van der Bellen dürften die beiden aber in den vergangenen Wochen einen guten Eindruck gemacht haben. Man habe gemeinsam intensiv daran gearbeitet, tragfähige Lösungen zu finden, berichtete der Bundespräsident und fügte an: Dies sei gelungen, das schätze er sehr “und so muss eine Bundesregierung auch arbeiten”.

Freilich zeigt der Bundespräsident auch Verständnis für jene, die der Regierung skeptisch oder ablehnend gegenüber stehen: “Es ist in einer Demokratie eben so, dass unterschiedliche Meinungen existieren.”

Kritik aus vielen Ecken

Dass es nicht nur Fans der neuen Regierung gibt, zeigte nicht nur die besorgte Reaktion der Israelitischen Kultusgemeinde. Deren Präsident Oskar Deutsch gratulierte zwar Kurz, stößt sich aber an der FPÖ-Regierungsbeteiligung: “Es kann niemals Normalität werden, dass eine rechtspopulistische bis rechtsextreme Partei, deren Vertreter immer wieder Schwierigkeiten hatten, sich vom Nationalsozialismus zu distanzieren und Stimmung gegen Menschen anderer Kulturen und Religionen gemacht haben, in Regierungsverantwortung gelangt.”

Amnesty International hielt der Koalition vor, sich zwar explizit zu den Menschenrechten zu bekennen, gleichzeitig würden aber einige Maßnahmen im Regierungsprogramm bedeuten, dass die Rechte und Freiheiten von Menschen in Österreich “massiv beschnitten” würden. Einige der geplanten Maßnahmen würden den sozialen Zusammenhalt gefährden, meinte der Generalsekretär von AI-Österreich, Heinz Patzelt.

SPÖ-Frauenvorsitzenden Gabriele Heinisch-Hosek kündigte an, dass man “laut und deutlich” gegen Verschlechterungen für Frauen auftreten werde. “Frauenpolitik wird von Schwarz-Blau als konservative Familienpolitik begriffen, was auch die Integration der Frauenagenden ins Familienministerium mehr als deutlich zeigt”, so Heinisch-Hosek. Auch die Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, Sonja Ablinger, sieht Schwarz-Blau in der Frauenpolitik auf einem “Retro-Kurs”.

Kinderdörfer befürchten Kinderrechtsverletzungen

Die SOS-Kinderdörfer befürchten Kinderrechtsverletzungen. Geschäftsführer Christian Moser kritisierte, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut fehlen. “Wer Mindestsicherung und Arbeitslosengeldbezug kürzt, nimmt Kinderarmut in Kauf.” Die SPÖ-Kinderfreunde orteten ein “Angsthasen-Programm”: Dieses sei über “weite Teile nebulös und eine Ansammlung von Allgemeinplätzen”, so Bundesvorsitzender Christian Oxonitsch.

Die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 enthüllte am Heldenplatz ein Kunstwerk, das die neuen Minister dazu ermahnen soll, die schlechte Klimabilanz Österreichs rasch zu verbessern. Das Kunstwerk wurde vom bildenden Künstler Gustavo Juarez mit 3D-Effekt gemalt und zeigt ein Kind, das in eine ungewisse Zukunft blickt. Die zentrale Frage der Kunstinstallation lautet: “Erwartet das Kind eine Zukunft mit zerstörter oder mit intakter Umwelt für kommende Generationen?”

5.500 Personen demonstrierten

Tausende machten auch auf den Straßen Wiens ihren Unmut deutlich. Ein großes Gebiet rund um das Regierungsviertel wurde abgesperrt, damit die Demonstranten die Angelobung nicht stören konnten. Rund 5.500 Personen skandierten Parolen vor allem gegen den Wiedereinzug der Freiheitlichen in die Regierung. Laut Polizei blieben größere Zwischenfälle aus. Böller wurden geworfen, zudem versuchten Demonstranten kurzfristig, am Heldenplatz ein Feuer zu entzünden. Letztlich gab es drei Festnahmen.

In der Hofburg bekam man davon nichts mit. In gelöster Stimmung wurde nach der Angelobung noch eine gute halbe Stunde Orangensaft und Sekt getrunken. Familienmitglieder und Partner wie die Ehefrau von Strache und die Lebensgefährtin von Kurz feierten bestens gelaunt das neue Kabinett.

Kurze Amtsübergabe von Kern an Kurz

Weniger fröhlich war wenige Minuten später die Amtsübergabe im Kanzleramt, die ursprünglich sogar auf den Stiegen stattfinden hätte sollen. Letztlich wurde dann doch angesichts des Medienandrangs in einen Saal ausgewichen, wo innerhalb von 50 Sekunden alles erledigt war. Der abtretende Kanzler Christian Kern wahrte dabei die Form und meinte höflich: “Ich fände es gut, wenn diese Regierung auch Erfolg hat.”

Erste Arbeitssitzung am Dienstag

Die erste Arbeitssitzung hat das Kabinett am Dienstag, wo im Ministerrat auch gleich der neue Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal vorgestellt wird. Für Mittwoch ist dann die Regierungserklärung im Nationalrat angesetzt.

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