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"The Wall" als bombastische Polit-Rock-Show

40.000 sahen Roger Waters Konzeptshow
40.000 sahen Roger Waters Konzeptshow
Roger Waters Zorn auf Kapitalismus, Kriegstreiberei, zu mächtige Regierungen, soziale Ausbeutung und Unterdrückung ist nicht geringer geworden. Am Freitag führte der ehemalige Pink-Floyd-Star seine Konzeptshow "The Wall" im Ernst-Happel-Stadion vor 40.000 Zuschauern auf. Die Mischung aus Politshow, Aufarbeitung von Psychosen, Bombast-Musiktheater und Konzert hat ihre Faszination bewahrt.


Zunächst raste ein Flugzeug durch das Betonoval, um am Bühnenrand begleitet von ohrenbetäubendem Surround-Lärm und Feuerwerk abzustürzen. Zu “In The Flesh?”, dem musikalischen Auftakt, war dort auch eine Band zu sehen, um die während des ersten Aktes die Mauer hochgezogen wurde. Jubel brandete naturgemäß bei dem 80er-Hit “Another Brick In The Wall, Part 2” auf, Waters zynischer Abrechnung mit dem autoritären Schulsystem seiner Kindheit. Da sang der Vienna English Choir die legendären Zeile “teachers leave us kids alone”, während eine übergroße Lehrerpuppe das Rohrstaberl schwang.

“Größer und komplexer” sei die Inszenierung im Vergleich mit dem Original, hatte Waters bei der Ankündigung der Open-Air-Tournee in London betont. So war die Mauer, die im zweiten Akt den gesamten Vordergrund einnahm, größer als jene der vorangegangenen Indoor-Tournee (für die es in Österreich keinen Platz gab) und viel größer als das Original der (wenigen) 80er-Shows. Komplexer sowieso: Sie diente als gigantische Projektionsfläche für erstklassige Visuals und Videos – also zur permanenten Reizüberflutung.

Das zuletzt viel diskutierte Schwein mit dem Davidstern ließ Waters auch in Wien fliegen. Auf dem Tier, laut dem 70-Jährigen symbolisiert es das Böse eines fehlgeleiteten Staates, prangten auch das Kreuz, der Halbmond, Hammer und Sichel, die Logos von McDonald’s, Mercedes und Shell sowie das Dollar-Zeichen. Das Schwein ist wie alles bei “The Wall” ein Forum für plakative, wenig subtile, ehrlich gemeinte Kritik. Das pompöse Getose und die Überzeichnung sind Teil des Konzeptes, da bleibt kein Platz für eigene Interpretationen; Waters gibt vor – daran ist Pink Floyd u.a. zerbrochen.

Die Szene, in der sich ein Mauerteil öffnete und der einsame, befremdete Rockstar in einem Hotelzimmer “Nobody Home” sang, war der intimste Moment in der Materialschlacht. Das musikalische Highlight folgte wenig später mit “Comfortably Numb”, unterlegt mit einem ausufernden Gitarrensolo von Snowy White (schon bei den 80er-Shows dabei).

Der Sound war toll, die Band gut in Form, Waters wieder einmal Waters, “The Wall” ein Mahnmal zwischen Kitsch und Relevanz. Hat man anderes erwartet? Am Ende fiel die Mauer, wie bei allen Inszenierungen seit 33 Jahren. Aber Risse hat sie noch keine – “The Wall” ist ein Bollwerk.

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