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Tocotronic feierten 20-jähriges Jubiläum mit Konzert im Wiener Burgtheater

Tocotronic begeistern ihre Fans nicht nur auf Festivals, sondern auch auf der Theaterbühne.
Tocotronic begeistern ihre Fans nicht nur auf Festivals, sondern auch auf der Theaterbühne. ©APA
Bis auf den letzten Platz besetzt war das Wiener Burgtheater am Mittwochabend beim Konzert der Hamburger Kult-Band Tocotronic. Alle, die keine Tickets mehr ergattern konnten, können sich über weitere Konzerttermine in Österreich freuen.
Tocotronic im Wiener Burgtheater
Mehr über das neue Album der Band

“Bitte, liebe Wienerinnen und Wiener, gustieren Sie”, lautet die Aufforderung von Frontmann Dirk von Lowtzow an sein Publikum. Und das lässt sich nicht zweimal bitten: Am Mittwochabend ließ die Hamburger Kult-Band Tocotronic sich und ihre 20-jährige Karriere würdig im bis auf den letzten Platz besetzten Wiener Burgtheater feiern. Im Gepäck hatten die vier Musiker neben ihren Klassikern vor allem Stücke aus dem mittlerweile zehnten Studioalbum “Wie wir leben wollen”. Dem Vorschlag, von Kunst unter Umständen zu lernen, wie man leben will, kommt der eine oder andere nach dem gelungenen Konzertabend bestimmt nur zu gerne nach.

Tocotronic auf der Theaterbühne

“Hey, hey, hey, jetzt ich bin alt / Hey, hey, hey, bald bin ich kalt” sind die Worte aus dem Album-Opener “Im Keller”, der zu Beginn von der ehrwürdigen Theaterbühne erklingt. Anfang 20 waren Gitarrist und Sänger Dirk von Lowtzow, Bassist Jan Müller und Schlagzeuger Arne Zank bei der Gründung ihrer Band, zur Halbzeit stieß Gitarrist und Keyboarder Rick McPhail dazu. Jetzt singen die einst zur Hamburger Schule zählenden Mannen ein Lobeslied auf das Älterwerden – vielleicht auch für all jene im Publikum, die als Fans der ersten Stunde mit ihnen erwachsen geworden sind. Diese lauschen dem Deutschrock heute gemeinsam mit den neuen Fans in ihren Zwanzigern. Erstere jubeln bei “Meine Freundin und ihr Freund”, der allerersten, 1993 im Eigenvertrieb erschienenen Single der Band. Zu Kult-Hits wie “Kapitulation”, “Aber hier leben, nein Danke”, “Bitte Oszillieren Sie” und “Hi Freaks” singen im Burgtheater dann alle gleichermaßen mit.

Konzert im Wiener Burgtheater

Mit Sitz-Konzerten ist das in punkto Stimmung trotzdem so eine Sache: Dem Angebot zu “This boy is Tocotronic”, sich doch erheben zu wollen, folgen nur sehr wenige. Und die stellen sich artig an den Rand. Tocotronic-Fans sind so höflich wie die Band selbst: Ein herzliches Dankeschön haucht ein euphorisierter von Lowtzow bei jedem begeisterten Applaus. Für den 41-Jährigen sei es “als verhinderter Schauspieler eine besondere Genugtuung, heute in der Burg zu spielen”. Seiner Geschichte von der gescheiterten Schauspielprüfung in Graz wird von einer Konzertbesucherin ein lautes “Gott sei Dank” entgegnet.

“20 Jahre sind eine lange Zeit / Doch sollte man nicht kleinlich sein / Als lebender Leichnam glaube ich daran: / The Show must go on”, heißt es in “Vulgäre Verse”. Mit wütenden Parolen einst zum Sprachrohr einer Protest-Generation geworden, klingen Tocotronic auf “Wie wir leben wollen” sanfter, wehmütiger. Kritik kommt auf “Wie wir leben wollen” mitunter heiter daher: Im Rhythmus eines zum Mitwippen anregenden Kinderliedes beklagt “Chloroform” eine konfliktscheue, konsensorientierte Gesellschaft – “Alles ist entschuldigt / Niemand wird angeklagt / Niemand wird beschuldigt / Keine Meinung wird gesagt”.

Neues Album mit Retrosound

Der Ausspruch “Digital ist besser” hingegen war einmal: Die 17 Songs der neuen Platte wurden in Berlin mit einer Vierspur-Tonbandmaschine von 1958 aufgenommen. Der Retrosound des Albums geht live dementsprechend verloren, die besondere Klangästhetik ist lediglich in Form von fernen Kindergesängen und verhallenden Sounds anfangs als Begleitung auf die Bühne zu hören. Dem Auftritt schadet das nicht, nun wirken die Songs rockiger, und doch erfrischend anders als das frühere Material. Die brillanten, verschrobenen Texte über die großen Themen des Lebens wie Tod (“Abschaffen”), Sucht (“Ich will für dich nüchtern bleiben”), Liebe (“Warte Auf Mich Auf Dem Grund Des Swimmingpools”) und Asylpolitik (“Exil”) wirken auf der Bühne so oder so von alleine.

Zwei Stunden lang begeistern Tocotronic vor einer Leinwand mit wechselnden Motiven und Illustrationen aus 20 Jahren Bandgeschichte. Die Standing Ovations nach der ersten Verabschiedung bringen dem Publikum die Erlösung, sich endlich bewegen zu können. Gemeinsam wird zu “Digital ist besser” und “Drüben auf dem Hügel” getanzt. Mit einem Höhepunkt des Band-Schaffens, “17”, wird das Wiener Publikum tröstlich in die kalte Nacht entlassen: “In den Bäumen und in den Sträuchern / Regt sich ein Windhauch / Und bläst in mein Ohr / Heute bin ich glücklich / Wie niemals zuvor”.

Weitere Konzerte in Österreich geplant

Für alle, die keine Tickets zum Jubiläumskonzert ergattern konnten, hat der Radiosender “FM4” den Auftritt live übertragen. Und die nächsten Chancen, Tocotronic in Österreich zu feiern, gibt es bereits in zwei Monaten: Am 7. April gastieren sie im Grazer Orpheum, am 9. April in der Wiener Arena und am 10. April im Linzer Posthof. (APA)

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