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"Toxischer" Zankapfel Türkei

Warum eine EU-Liste sicherer Herkunftsstaaten Probleme bereitet
Warum eine EU-Liste sicherer Herkunftsstaaten Probleme bereitet ©AP
Sieben Länder und ein Problem. Seit Wochen will die EU in der Flüchtlingskrise erstmals eine europaweit gültige Liste mit sicheren Herkunftsländern erstellen. Weitgehend Einigkeit gibt es bei sechs Staaten des westlichen Balkans. Doch die EU-Kommission will auch die Türkei aufnehmen - und stößt damit bei Teilen der EU-Mitglieder auf massiven Widerstand, was bisher die gesamte Liste blockiert.

Brüssel will Albanien, Bosnien und Herzegowina, das Kosovo, Montenegro, Mazedonien, Serbien und die Türkei auf die Liste sicherer Herkunftsstaaten setzen. Bei solchen Ländern wird grundsätzlich angenommen, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche Bestrafung oder Behandlung erfolgen. Die Liste könnte damit die europäischen Asylsysteme entlasten und schnellere Abschiebungen ermöglichen. Die Kommission verweist darauf, dass rund 17 Prozent aller Asylanträge in der EU von Bürgern aus diesen sieben Ländern stammen.

“Toxische” Debatte um Herkunftsliste

Doch zwischen den sechs Balkanstaaten und der Türkei gibt es einen wichtigen Unterschied: Nach Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat haben Menschen vom Westbalkan so gut wie keine Chance auf Asyl – die Anerkennungsquoten für die sechs Länder in der EU lagen zuletzt zwischen einem und vier Prozent. Ganz anders bei der Türkei: Hier wurden im zweiten Quartal im EU-Schnitt 23 Prozent der Asylbewerber anerkannt.

Die Debatte um die Herkunftsliste sei “mindestens so toxisch” wie der Streit mit den Osteuropäern um die Verteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Staaten, sagte ein EU-Diplomat vor einigen Tagen. Obgleich Kritiker auch bei den Westbalkanländern gerade bei Sinti und Roma auf Diskriminierung oder gar Verfolgung verweisen, ist eigentlicher Grund für den EU-Streit die Türkei.

“Massive Bedenken” wegen Meinungsfreiheit und Kurdenkonflikt

Mehrere Länder, darunter neben Deutschland auch Frankreich und Schweden, hätten wegen der Lage der Presse- und Meinungsfreiheit in dem Land “massive Bedenken”, sagte ein EU-Diplomat am Donnerstag. Hinzu kommt der gerade wieder aufgeflammte Kurdenkonflikt. Für einen Teil der EU-Länder ist es deshalb schwer, der Türkei kurz vor den vorgezogenen Parlamentswahlen am 1. November eine Art Persilschein in Sachen Demokratie und Achtung der Menschenrechte zu erteilen.

Schlüsselstaat in der Flüchtlingsfrage

Doch gleichzeitig ist der EU-Beitrittskandidat Türkei ein Schlüsselstaat in der Flüchtlingsfrage: Das Land grenzt an das Bürgerkriegsland Syrien sowie an die EU-Mitglieder Bulgarien und Griechenland. Mehr als zwei Millionen Syrien-Flüchtlinge befinden sich in der Türkei und könnten versuchen, bei einer Verschlechterung der Lage Richtung Europa zu ziehen. Und schon jetzt könnte die EU massiv profitieren, wenn sie Ankara dafür gewinnen kann, die Grenzen Richtung Europa stärker zu überwachen. (APA)

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