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Tschechiens Außenminister und Vizepremier Schwarzenberg besucht Wien

Wenn der "alt-neue" tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg am Donnerstag Wien besucht und mit seinem Amtskollegen Michael Spindelegger (V) zusammentrifft, werden Temelin und die Benes-Dekrete nicht ausgespart werden. Diese beiden Themen haben das bilaterale Verhältnis zwischen Österreich und Tschechien jahrelang geprägt.

Schwarzenberg, der am 13. Juli als Außenminister und Vizepremier angelobt wurde, sieht “keine Alternative zur Atomkraft” und verteidigt den geplanten Ausbau des umstrittenen Kernkraftwerks Temelin. Österreich dagegen ist gegen die Nutzung von Atomenergie, wie Spindelegger bereits im Jänner 2009 bei seiner ersten bilateralen Auslandsreise klar sagte.

Dass diese erste Reise im Amt des Außenministers Spindelegger nach Prag führte, war Ausdruck der verbesserten bilateralen Beziehungen. Sein Gesprächspartner damals war Schwarzenberg, der von Jänner 2007 bis Mai 2009 schon einmal Außenminister war.

Trotz Verbesserung des Verhältnisses zwischen Wien und Prag herrscht in einigen Fragen Uneinigkeit. Als etwa Bundespräsident Heinz Fischer im März dieses Jahres die sogenannten Benes-Dekrete als “schweres Unrecht” bezeichnete, gab es in Prag Aufregung und Kritik. Schwarzenberg meint, diese Erlässe könnten nicht infrage gestellt werden. “Man kann die Geschichte nicht rückgängig machen. Ich bin kein Anhänger der Politik des Gestern. Wir sollten gemeinsam in die Zukunft blicken”, sagt er. Die Benes-Dekrete, die nach dem Zweiten Weltkrieg Grundlage für die Enteignung und Vertreibung von Millionen Sudetendeutschen aus der damaligen Tschechoslowakei waren, sind auch heute noch Bestandteil der tschechischen Rechtsordnung.

Tschechien missfällt die Beschränkung des österreichischen Arbeitsmarkts für Arbeitnehmer aus den neuen mittel- und osteuropäischen EU-Staaten. Ab Mai 2011 können Tschechen frei in Österreich arbeiten. Spindelegger hatte im April bei einem Besuch in Prag ausgeschlossen, dass diese Frist verlängert werde. Und dennoch gab es eine Verzögerung: Ein Reifenplatzer am Flugzeug verhinderte damals eine pünktliche Abreise des Ministers.

Im diplomatischen und konsularischen Bereich haben Spindelegger und Schwarzenberg ähnliche, wenn auch nicht idente Vorstellungen. Spindelegger will am derzeitigen Netz von über hundert diplomatischen Vertretungen Österreichs im Ausland festhalten, während sich Schwarzenberg für eine Zusammenlegung von Botschaften und die Kooperation kleinerer EU-Länder ausspricht. “Wir sind ein Haufen kleiner und unwichtiger Länder -, und deshalb sollten wir nach Möglichkeit zusammenarbeiten, wie das zum Teil beim Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes passiert ist. Alleine schafft keiner von uns große Sprünge”, sagt Schwarzenberg. Spindelegger argumentiert: Er rechne mit “Synergieeffekten” durch die EU-Botschaften, die alle EU-Bürger auch konsularisch betreuen sollen. Über Schließungen werde nach einem “Screening” der Auslandsvertretungen entschieden.

Abgesehen von bilateralen Themen könnte auch ein internationales Ereignis Inhalt des Gesprächs der beiden Außenminister am Donnerstag werden. An dem Tag veröffentlicht der Internationale Gerichtshof (IGH) seine Rechtsmeinung zur Unabhängigkeit des Kosovo. Sowohl Tschechien als auch Österreich haben die Unabhängigkeit anerkannt. Serbien lehnt dies ab und will neue Verhandlungen über den völkerrechtlichen Status der früheren serbischen Provinz.

Schwarzenberg wurde am 10. Dezember 1937 als Karl Johannes Nepomuk 12. Fürst zu Schwarzenberg in Prag geboren. Er musste seine tschechische Heimat nach der Machtübernahme der Kommunisten 1948 verlassen. Die Familie verlor ausgedehnte Besitztümer in der Tschechoslowakei, die ihr erst nach der Wende und nur teilweise zurückerstattet wurden. Nach der Wende 1989 kehrte Schwarzenberg in die Tschechoslowakei zurück. Staatspräsident Vaclav Havel machte ihn 1990 zum Kanzlei-Chef (“Kanzler”).

Ende Mai trat Schwarzenberg mit seiner neu gegründeten rechtsliberalen Partei TOP 09 an und schaffte auf Anhieb fast 17 Prozent. Seine Bewegung bildet nun zusammen mit der konservativen Bürgerpartei ODS und der rechtsgerichteten Partei Öffentliche Angelegenheiten die Regierung. Schwarzenberg zählt zu den beliebtesten Politikern des Landes. Beliebt ist er wohl auch aufgrund seiner authentischen Art: Auf die Frage der “Presse”, auf welche Begegnungen er sich als Außenminister besonders freue, antwortete Schwarzenberg ganz unverblümt: “Auf keine. Ich will, ehrlich gesagt, nur noch Urlaub machen, nach all den Monaten des Wahlkampfs und der Koalitionsverhandlungen.”

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