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Türkei ruft Botschafter aus Wien zurück

Außenminister Mevlüt Cavusoglu zieht den Botschafter aus Wien ab
Außenminister Mevlüt Cavusoglu zieht den Botschafter aus Wien ab ©AFP
Die Türkei hat ihren Botschafter in Österreich, Hasan Gögüs, zu Konsultationen nach Ankara zurückgerufen, um "über die Beziehungen zu Österreich zu beraten". Dies erklärte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Montag laut der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu.
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Der Sprecher des Außenministeriums, Thomas Schnöll, bestätigte dies am Montagabend gegenüber der APA. Laut Schnöll wurde am Montag auch der österreichische Geschäftsträger in Ankara, Georg Oberreiter, ins türkische Außenministerium zitiert, anstelle des auf Urlaub befindlichen Botschafters Klaus Wölfer. Das Gespräch mit Oberreiter fand “auf hoher Beamtenebene” statt.

Hintergrund der Aktion: Kurdendemo in Wien

Rein praktisch habe Botschafter Gögüs zudem Österreich nicht verlassen, denn auch er sei derzeit auf Urlaub in seinem Heimatland, so der Sprecher. Wie lange er nicht nach Wien zurückkehren wird, war zunächst offen. Die Länge der Abwesenheit hat politische Signalwirkung und drückt die Stärke des Protests aus. Der Hintergrund ist die Kurdendemonstration am Samstag in Wien. Nach den diplomatischen Protestmaßnahmen der Türkei gegen Österreich will die Bundesregierung weiter den Dialog suchen. “Wir stehen für die Aufrechterhaltung der Gespräche auf allen Ebenen”. Die Kundgebung in Wien fand unter dem Motto “Demonstration gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und die Isolation von Abdullah Öcalan” statt. Der inhaftierte Abdullah Öcalan war Vorsitzender der in der Türkei verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK.

Bereits 2015 Rückzug des Botschafters

Erst im Vorjahr war der türkische Botschafter in Wien zu Konsultationen in die Heimat zurückbeordert worden. Damals protestierte die Regierung in Ankara gegen die Erklärung des Österreichischen Nationalrats zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich zur Zeit des Ersten Weltkriegs, den die Türkei entgegen der Meinung der meisten Historiker nicht als solchen anerkennt.

Kundgebung am Samstag in Wien

Nun steht im Zusammenhang mit der Kurdendemo der Vorwurf der Türkei im Raum, Österreich sei im Umgang mit terroristischen Vereinigungen untätig. Gemeint ist die seit 2009 auch in der EU auf der Terrorliste stehende Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Kundgebung am Samstag in Wien fand unter dem Motto “Demonstration gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und die Isolation von Abdullah Öcalan” statt. Der inhaftierte Öcalan war Vorsitzender der PKK. Die Kundgebung lief friedlich ab; laut Polizei zogen rund 600 Teilnehmer über die Ringstraße, die unter “Öcalan”-Rufen auf Transparenten “Freiheit für Abdullah Öcalan” sowie “Freiheit für Kurdistan forderten.

Türkei: Gangart gegen PKK verschärft

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte bereits in den Monaten vor dem gescheiterten Putsch die Gangart gegen die verbotene PKK nach Ende eines Friedensprozesses wieder verschärft. Ministeriumssprecher Schnöll betonte: “Wir weisen entschieden zurück, dass Österreich in irgendeiner Form Terrorismus unterstützen würde.” Die EU-Verordnung zur Bekämpfung des Terrorismus “wird von Österreich hundertprozentig umgesetzt”. Österreich sei “in allen internationalen Foren federführend beim Kampf gegen den Terrorismus”.

Beziehungen zwischen Türkei und Österreich angespannt

Seit dem gescheiterten Putsch in der Türkei Mitte Juli und sind die Beziehungen zwischen der Türkei und Österreich angespannt. Die Türkei warf Österreich “radikalen Rassismus” vor, nachdem sich Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) für einen Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei ausgesprochen hatte. Die Reaktion des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf den Putschversuch hat in der EU neue Besorgnis über Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in der Türkei ausgelöst.

Meldung der “Kronen Zeitung” am Flughafen

Bereits am Samstag vor einer Woche war der österreichische Geschäftsträger in Ankara ins türkische Außenministerium zitiert worden. Anlass war eine Meldung der “Kronen Zeitung” in Form eines elektronischen News-Tickers mit der Schlagzeile “Türkei erlaubt Sex mit Kindern unter 15 Jahren” am Flughafen Wien-Schwechat am Flughafen Wien-Schwechat. Die offensichtliche Grundlage der von der Türkei heftig kritisierten Schlagzeile war, dass der türkische Verfassungsgerichtshof eine Bestimmung aufhob, die sexuelle Handlungen an Kindern unter 15 Jahren als sexuellen Missbrauch unter Strafe stellte. Ein Bezirksgericht hatte die Höchstrichter mit der Begründung angerufen, die geltenden Gesetze machten keinen Unterschied zwischen den unterschiedlichen Altersgruppen. Kinderrechtsexperten protestieren gegen die Entscheidung.

EU-Kommission: “Wir haben keinen Kommentar”

Die EU-Kommission wollte sich nicht zu den diplomatischen Zwistigkeiten zwischen Wien und Ankara äußern. “Wir haben keinen Kommentar. Das ist eine bilaterale Angelegenheit”, sagte ein Sprecher am Dienstag auf entsprechende Fragen in Brüssel.

Präsident Erdogan selbst in der Kritik

Der islamisch-konservativen Regierung von Präsident Erdogan selbst waren in der Vergangenheit Versäumnisse im Kampf gegen die Jihadistenmiliz “Islamischer Staat” (IS), die Teile des Irak und große Gebiete auf der syrischen Seite an der Grenze zur Türkei kontrolliert, nachgesagt worden. Denn ein weiterer großer Teil der 911 Kilometer langen Grenze zum Bürgerkriegsland Syrien wird von kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) kontrolliert. Die Türkei sieht diese als Ableger der PKK, die USA unterstützen, sie, weil sie am Boden militärisch gegen den IS vorgehen. Ankara hat solche Versäumnisse zurückgewiesen. Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte am Montag – zwei Tage nach dem Anschlag auf eine kurdische Hochzeit im südosttürkischen Gaziantep, der dem IS zugeschrieben wird – mit Blick auf die YPG: Die Türkei werde keine “Terrororganisationen” im Kampf gegen den IS unterstützen, wohl aber die “gemäßigte Opposition” und andere Gruppen, die gegen den IS in Syrien kämpfen. In dem 1984 begonnenen Aufstand der PKK kamen bisher mehr als 40.000 Menschen um.

(APA/Red.)

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