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Umstrittenes Tierschutzgesetz: Wiener "Pfotenretterin" über die "Katastrophe"

Claudia Gutjahr und ihre Pfotenretter werden in ihrer Tierschutz-Arbeit vom neuen Tierschutzgesetz behindert
Claudia Gutjahr und ihre Pfotenretter werden in ihrer Tierschutz-Arbeit vom neuen Tierschutzgesetz behindert ©Pfotenretter
Claudia Gutjahr aus Wien ist in Tierschützer-Kreisen keine Unbekannte: Die junge Frau ist eine der Gründerinnen der "Pfotenretter", eines privaten Wiener Tierschutzvereins. VIENNA.at hat die Tierschützerin zum Gespräch über die problematische Gesetzesnovelle, neue Arten des Inserierens, mögliche Gegenstrategien und den steinigen Weg der Betroffenen zurück in die Legalität getroffen.
Schützlinge der Pfotenretter
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Regierung beginnt einzulenken
Elf Kätzchen beim WTV ausgesetzt

Seit zehn Jahren ist Claudia Gutjahr im Tierschutz tätig und als Pflegestelle für Katzen im Einsatz. Die Wienerin ist eines von drei Gründungsmitgliedern der “Pfotenretter”, die bislang auf Facebook sehr aktiv waren und regelmäßig Katzen und Hunde vorstellten, die aus verschiedensten Gründen bei dem Verein landeten und ein neues “Für-immer-Zuhause” suchten. Auch auf der Online-Plattform Willhaben.at hat der Verein zahlreiche Tiere zur Vermittlung inseriert. Das neue Tierschutzgesetz stellt Vereine wie die Pfotenretter jedoch vor so manche Hürde.

Claudia Gutjahr: Mit Herzblut für Tiere in Not aktiv

In ihrem geräumigen Haus in Liesing hat Gutjahr rund 200 Quadratmeter zur Verfügung, die zur Gänze ihren Schützlingen offen stehen. Zu vier bis fünf eigenen Katzen kommen bei Gutjahr derzeit sieben zur Vermittlung stehende Tiere – vom allerliebsten kleinen Russisch Blau-Kitten bis hin zur humpelnden Katze “Humpeldumpel” mit einer Lähmung am Bein.

Was Gutjahr macht, dem widmet sie sich mit voller Leidenschaft. Als Betreiberin der “Websingles”-Plattform ist die Wiener Tierschützerin nicht nur auf das Vermitteln und Zusammenführen einsamer menschlicher Herzen spezialisiert – ihr ganzes Herzblut fließt in den Einsatz für Tiere in Not. Daran hat auch die neueste Gesetzesnovelle nichts geändert, die für Tierschützer in Österreich seit 1. Mai 2017 eine riesige Herausforderung darstellt: das neue Tierschutzgesetz.

>>Hier geht es zum Gesetzestext im Wortlaut

Novelle zum Tierschutzgesetz: Guter Grundgedanke, viele Schattenseiten

Was eigentlich aus dem unterstützenswerten Gedanken heraus entstand, dem überhand nehmenden illegalen Welpenhandel Einhalt zu gebieten, führte nämlich zu einer Gesetzesnovelle, die nun generell jegliche öffentliche Vermittlung und das Feilbieten von Tieren durch Privatpersonen verbietet. Und damit finden sich private Tierschutzorganisationen schlagartig in der Situation wieder, dass ihre oft jahrzehntelang erfolgreich und zum Großteil ehrenamtlich betriebene Tätigkeit plötzlich illegal ist.

“Als ich von dem neuen Gesetz gehört habe, war meine erste Reaktion: Oh Gott, Katastrophe! Wie soll das weitergehen, wenn die ganzen Privaten nicht mehr schalten dürfen. Und jetzt bekommen wir jeden Tag diverse Mails und Anrufe von verzweifelten Leuten, die nicht mehr inserieren dürfen und nicht wissen, wie sie Fundtiere oder gerettete Tiere vermitteln sollen. Wenn sie sich an die Tierheime wenden, heißt es dann: ‘Tut uns leid, kein Platz.’ Die haben auch nicht die Ressourcen, das abzufangen” erzählt Gutjahr stirnrunzelnd.

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“Tierschützer an ihrer Arbeit zu hindern – das ist eine Katastrophe”

Für eine erfolgreiche Vermittlung waren bislang eben nicht nur große Tierheime, sondern auch Vereine wie die Pfotenretter Anlaufstelle. Die Tierheime sind mit den vielen Tieren, die bis zum Inkrafttreten der Gesetzesnovelle von privaten Tierschützern versorgt wurden, überfordert – und wer diese weiterhin entlasten und sich um die Vierbeiner kümmern möchte, wird nun gesetzlich daran gehindert. “Dabei verpulvern die Vereine ihr eigenes Geld für ihre Arbeit und bereichern sich da nicht in irgendeiner Weise. Ich kenn das ja von mir selber, ich mach nichts anderes mehr als mich um die Tiere zu kümmern. Ich arbeite für Websingles von zuhause aus und hab ja kein Leben mehr. Wenn ich rausgehe, geh ich zum Tierarzt. Und diese Leute an dem zu hindern, was sie mit Herzblut und aus eigener Tasche machen, das ist eine Katastrophe.”

Die Reaktion der Vereine auf die neue Situation war, gemeinsame Sache zu machen. Hundert Vereine haben sich hier der Tierschützerin zufolge zusammengeschlossen und etwa Facebook-Gruppen gegründet, um gegen das neue Tierschutzgesetz, das sie derart in ihrer Arbeit hindert, tätig zu werden. Es werden Beschwerdemails an die zuständigen Politiker geschrieben, eine Online-Petition kann unterschrieben werden, kürzlich gab es eine Demonstration gegen die Gesetzesnovelle, die den Tierschutzvereinen die Tätigkeit erschwert.

Kittenflut: Ein leidiges Problem verschärft sich noch

Das neue Tierschutzgesetz fordert dieser Tage so manches Opfer, wie auch der Wiener Tierschutzverein (WTV) regelmäßig berichtet. Am Mittwoch landeten auf einen Schlag elf kleine Kätzchen und ein Muttertier beim WTV, die einfach auf einem Parkplatz ausgesetzt und dort bei glosender Sommerhitze stundenlang stehen gelassen wurden. Allein im Juli wurden 14 Katzen, darunter zehn Kitten, ausgesetzt und landeten ebenfalls beim WTV.

Ein Problem, das auch Gutjahr sehr bewusst ist – denn die warme Jahreszeit ist Jahr für Jahr Kittenflut-Zeit, nachdem beispielsweise zahlreiche Bauern ihre Katzen nicht wie gesetzlich vorgeschrieben kastrieren lassen. Aus dem Burgenland, Tirol und der Steiermark kommen derzeit unzählige kleine Kätzchen zu Tierschutzvereinen wie den Pfotenrettern. Gutjahrs Pfotenretter-Kollegen Richie und Sonja haben vor wenigen Tagen sieben Kitten aus dem Burgenland übernommen, die das dortige Tierheim nicht aufnehmen konnte.

Auch zum Thema Auslandstierschutz bezieht die Pfotenretterin nebenbei klar Stellung: “Dieser ganze Tierrassismus geht mir schrecklich auf die Nerven. Die Leute helfen halt dort, wo sie können und wo es grad total arme Tiere gibt.”

Zur Passivität verdammt: Inserieren nur eingeschränkt möglich

Was nun gesetzeswidrig ist, und die Pfotenretter besonders hart trifft, ist das Feilbieten von Tieren im Internet. Gutjahr hat über die Jahre eine ausgefeilte Strategie entwickelt, was das Gestalten von Inseraten betrifft. Sie erstellte bislang vorzugsweise umfassende Alben zu jedem zur Vermittlung stehenden Tier mit langen Beschreibungstexten in der Facebook-Gruppe der Pfotenretter. “Das ist für mich gleichzeitig ein Intelligenztest, da sieht man gleich, ob die Leute sinnerfassend lesen können und sich auch der Verantwortung für ein Tier bewusst sind.”

Aus Erfahrung weiß sie, dass die Tiere umso mehr Anfragen bekommen, je mehr man über sie erfährt und je mehr Bilder von ihnen eingestellt werden. Wobei die Vereine inzwischen durch die Gesetzesänderung gefordert sind, beim Inserieren ihrer Schützlinge anders vorzugehen, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen. “Man ist gewissermaßen zur Passivität verdammt, darf nur noch Bilder der Tiere inserieren, ohne zum Adoptieren aufzurufen und ist darauf angewiesen, dass die Leute sich aktiv bei einem melden”, so Gutjahr. “Wichtig ist, dass man nicht aktiv feilbieten darf, wenn man keine offizielle Berechtigung vom Magistrat dafür hat.”

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Nicht ohne offizielle Genehmigung: Der steinige Weg zurück in die Legalität

Ebendiese haben sich die Pfotenretter nun organisiert, um weiterhin ihrer Tätigkeit nachgehen zu können. Denn die Stadt Wien verschickte jüngst an private Wiener Tierschutzvereine Strafverfügungen in Höhe von 600 Euro, die diese entrichten müssten, falls sie weiterhin Tiere wie gewohnt über ihre eigene und andere Websites vermitteln würden. Die einzige Möglichkeit, mit seiner Vermittlungsarbeit fortzufahren, besteht darin, sich innerhalb der Übergangsfrist bis 1. Juli 2018 um die notwendige Genehmigung bei der Magistratsabteilung 60 – Veterinärdienste und Tierschutz (MA 60) zu bemühen.

Um diese Berechtigung zu erhalten, kommt es auch zu einer Begehung der Räumlichkeiten der Tierschützer, um zu sehen, ob alles Notwendige für ihre Tätigkeit gegeben ist. Zu den nunmehr notwendigen Auflagen gehören neben entsprechend großen, sauberen Wohnräumen unter anderem ein Quarantäneraum mit hygienisch abwaschbaren Wänden, ein Vertrag mit einem Vereinstierarzt, der neu eintreffende Tiere umgehend durchcheckt, man muss dokumentieren, welche Tiere übernommen und abgegeben werden, und vieles mehr. “Was interessant ist: Wenn man ein Tier an eine Pflegestelle gibt, gelten dort diese strengen Kriterien nicht, da gelten nur ‘normale’ Regeln, wie man ein Tier halbwegs gut zu halten hat,” so Gutjahr.

Um weiterhin ihre Tiere auf Willhaben zu inserieren, brauchten die Pfotenretter im nächsten Schritt eine schriftlich vorliegende Bestätigung für die Bewilligung, dass sie ihrer Tätigkeit nunmehr legal nachgehen dürften. Diese erhielten sie jedoch nicht ohne Weiteres. Zwei Wochen intensiven Urgierens bzw. Hinterherschreibens und Hinterhertelefonierens seitens der Pfotenretter beim Magistrat waren vonnöten, bis so etwas wie eine Genehmigung vorlag. “Jetzt dürfen wir offiziell wieder inserieren, Gottseidank”, berichtet die Tierschützerin merklich erleichtert. Doch diesen langen bürokratischen Weg zu gehen, bis man sich mit seiner Tätigkeit wieder auf dem Pfad der Legalität befindet, ist wohl nicht jedem kleinen Verein so einfach möglich – wodurch unzweifelhaft so mancher mit seiner Tätigkeit vor dem Aus stehen wird.

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Quo vadis, neues Tierschutzgesetz?

Und wie soll es nun weitergehen mit dem neuen Tierschutzgesetz, das Tierschutzvereinen solche Probleme bereitet? Gutjahr ist optimistisch: “Da ist einiges im Rollen, um das aufzuweichen, weil so wird es auf Dauer nicht funktionieren. Wir kriegen ja alle keine Unterstützung. Wenn wir jetzt alle anfangen, unsere Pflegetiere den Tierheimen vor die Tür zu stellen, damit die Stadt Wien dafür aufkommen darf – na dann viel Glück. Das kann sich alles nicht ausgehen. Die Grundidee des neuen Tierschutzgesetzes war eh nett, aber nicht durchdacht. Das funktioniert in der Praxis nicht.”

Das einzig Gute an der Sache sei, dass sich die Betroffenen nun solidarisieren und gemeinsam gegen die Gesetzesnovelle mobil machen würden. Gutjahr will mit ihren Pfotenrettern jedenfalls weitermachen wie bisher und auch andere Betroffene dazu ermutigen. Man merkt der Wiener Tierschützerin in jedem Wort die Hoffnung und positive Energie an, die sie in ihrer Arbeit für den Tierschutz nach wie vor antreibt – ganz egal, welche Hürden auf sie und andere Betroffene noch zukommen mögen.

>>Claudia Gutjahr und die Schützlinge der Pfotenretter

(DHE)

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