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"Unter Verschluss" am Vorarlberger Landestheater realistisch und beklemmend

Österreichische Erstaufführung des Werks von Pere Riera passt zufällig perfekt zum Wahlkampf
Österreichische Erstaufführung des Werks von Pere Riera passt zufällig perfekt zum Wahlkampf ©anja koehler | andereart.de
Bregenz - Das Stück "Unter Verschluss" des spanischen Autors Pere Riera, das Freitagabend am Landestheater in Bregenz seine Österreichische Erstaufführung feierte, könnte nicht besser zur Realität der jüngsten Tage und Wochen passen.

Es geht um die Dehnbarkeit der Wahrheit, um Macht und Manipulation. Das Publikum hatte an der Inszenierung ordentlich zu schlucken, fand aber durchaus großen Gefallen daran.

Pere Riera ist in Spanien eine feste Größe und hat bereits zahlreiche Stücke und Drehbücher veröffentlicht – für Österreich ist er eine echte Entdeckung. Mit “Unter Verschluss” ist ihm ein Werk gelungen, das gefühlt von einem Österreicher hätte sein können. Zu real kommen einem die Figuren vor, zu vertraut scheinen die Falschheit und das Spiel von Macht und Vertuschung. Im konkreten Stück geht es um den Präsidenten Victor Bosch, der im Verdacht steht, eine Minderjährige missbraucht zu haben. Die bekannteste Journalistin des Landes, Silvia Utges, will in einem Interview für Klarheit sorgen. Doch was tun, wenn man zufällig kurz vor Beginn des Interviews erfährt, dass die eigene Tochter am Schulhof mit Rauschgift dealt und der Präsident das “richten” kann? Und dann laufen auch schon die Kameras…

Kampf um Wahrheit, Moral und Mutterliebe

Judith van der Werff schlüpft in die Rolle der Journalistin. Selbstbewusst und der Wahrheit verpflichtet gibt van der Werff einen souveränen Einstieg ins Stück und zeigt sehr klar den inneren Kampf um Wahrheit, Moral und Mutterliebe. Christoph Jacobi ist ebenfalls souverän in der Rolle des selbstbewussten, zuvorkommend wirkenden Präsidenten. Am meisten überzeugt hat oder besser gesagt am meisten gehasst wurde am Premierenabend aber Timo Weisschnur, der die Rolle des Pressesprechers Cáceres unglaublich schmierig, frauenfeindlich und glatt – und trotzdem glaubhaft anlegte.

Reduziertes und konzentriertes Bühnenbild

Das Bühnenbild ist sehr reduziert, sehr konzentriert. Zwei Stühle, ein Tisch und ein riesiger Spiegel darüber, der sich später im Stück, wenn die Wahrheit gebeugt wird, neigt und der Gesellschaft wahrlich versucht, den Spiegel vorzuhalten. Verantwortlich für dieses gelungene Bühnenbild ist Mira König. Regisseur Maik Priebe kann ebenfalls gratuliert werden, ihm ist eine sehr spannende Inszenierung gelungen, in der er die Entwicklung der Figuren sachte, aber gezielt vorantreibt.

Trotz der für alle spürbaren Nähe zum aktuellen politischen Geplänkel, will der katalanische Autor Pere Riera keinerlei Bezug zur aktuellen Situation in seinem Land herstellen und betont, dass er das Stück bereits 2006 geschrieben hat. Auch Intendant Alexander Kubelka sprach bezüglich der Stückwahl eher von Zufälligkeit, brachte es bei der Premierenfeier aber dennoch auf den Punkt: “Das Stück liefert keine Antwort. Es gibt einem so eine Sprachlosigkeit und Leere.” Das war auch direkt nach der letzten Szene deutlich zu spüren. Das Licht ging aus, und es folgte Stille. Erst nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit folgte der anerkennende Schlussapplaus. Das Publikum zeigte sich gefordert, aber hochzufrieden.

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