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Verdacht auf Volksverhetzung: Ermittlungen gegen Facebooks Nordeuropa-Chef

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Facebooks Nordeuropa-Chef
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Facebooks Nordeuropa-Chef ©AP (Themenbild)
Der juristische Streit um Hasspostings und verhetzende Kommentare auf Facebook ist um eine Dimension reicher: Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat nunmehr auch gegen den deutschen Nordeuropa-Chef des Konzerns Ermittlungen eingeleitet - wegen vorsätzlicher Beihilfe zur Volksverhetzung.

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nana Frombach, bestätigte am Dienstag einen entsprechenden Bericht von “Spiegel Online”. Dabei geht es um Hassbotschaften, die Nutzer in dem sozialen Netzwerk veröffentlicht haben und die von Facebook trotz Hinweisen nicht gelöscht wurden.

Würzburger Anwalt brachte Fall ins Rollen

Angezeigt hatte den “Managing Director Northern, Central and Eastern Europe”, Martin Ott, ein Würzburger Rechtsanwalt. Er wirft Ott vor, gegen eine Vielzahl von gemeldeten Gewaltaufrufen und Gewaltdarstellungen trotz Hinweisen nichts unternommen zu haben. Der Anwalt sieht dahinter Methode und fordert, dass sich auch Facebook an in Deutschland geltendes Recht halten müsse.

Der angezeigte Martin Ott leitet die Geschäfte des Sozialen Netzwerks in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Skandinavien seit Mitte 2012. Er arbeitet von Hamburg aus.

Der Würzburger Rechtsanwalt Chan-jo Jun, spezialisiert auf IT-Recht, hatte zuvor bereits die Geschäftsführer der Facebook Germany GmbH angezeigt, die in Deutschland Werbeanzeigen für Facebook akquiriert. Das Netzwerk selbst wird in Deutschland allerdings nicht von der Facebook Germany GmbH betrieben, sondern von Facebook Limited mit Sitz in Irland. Die Staatsanwaltschaft leitete auch daraufhin Ermittlungen ein. Wie “Spiegel Online” berichtet, war es das erste Mal, das im Zuge der Debatte um Hasskommentare nicht gegen den Urheber des Postings selbst, sondern gegen Vertreter des Konzerns wegen möglicher Beihilfe zur Volksverhetzung ermittelt werde.

Staatsanwaltschaft prüft

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte, man habe nun das Landeskriminalamt mit einer Überprüfung beauftragt, ob die angezeigten Straftaten überhaupt stattgefunden haben. “Dabei wird ermittelt, was genau wie lange online gestanden hat.” Erst danach werde sich die Staatsanwaltschaft mit einer rechtlichen Bewertung beschäftigen. “Dabei geht es dann auch um die Frage, ob mögliche strafbare Inhalte überhaupt in den Verantwortungsbereich der angezeigten Personen fallen”, sagte die Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur.

Facebook hatte im Kontext der ersten Strafanzeige betont, es gebe verschiedene Wege, Inhalte auf Facebook zu melden. “Inhalte wie Hassrede, Aufruf zur Gewalt oder Gewaltverherrlichung verstoßen gegen die Gemeinschaftsstandards”, sagte ein Sprecher. Durch die verstärkte Partnerschaft mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM) und der bestehenden Kooperation mit Jugendschutz.net hätten Menschen zusätzliche Eskalationsstufen, um ihre Bedenken zu melden.

Anwalt: Facebook muss sich an deutsches Recht halten

Der Würzburger Rechtsanwalt Chan-jo Jun im Interview zu den Hintergründen der Anzeigen:

Was war für Sie der Auslöser dafür, dass Sie die Anzeigen gegen die Facebook-Verantwortlichen gestellt haben?

Chan-jo Jun: Es gab eine Vielzahl von rechtswidrigen Inhalten und wir haben gesehen, dass Facebook auf Mitteilung nicht bereit ist, diese Inhalte zu löschen. Wir haben den Eindruck gewonnen, dass Facebook glaubt, dass die Facebook-Community-Standards über dem deutschen Recht und dem Grundgesetz stehen.

Volksverhetzende Inhalte gibt es schon länger auf Facebook. Warum haben Sie oder auch andere nicht früher Anzeige erstattet?

Chan-jo Jun: Das haben wir uns auch gefragt und konnten gar nicht glauben, dass es bisher noch kein Ermittlungsverfahren gibt. Ein Grund könnte vielleicht sein, dass es recht aufwendig ist, Einzelfälle auch konkret zur Kenntnis zu geben. Wir haben viele Wochen recherchiert, um ausreichende Fälle zu sammeln und persönlich haftende Personen zur Kenntnis zu bringen.

Können Sie Beispiele nennen für die Fälle, die Sie gefunden haben?

Chan-jo Jun: Ein Großteil ist Volksverhetzung, Aufrufe dazu, Flüchtlinge zu vergasen, mit Bomben zu ermorden oder mit Maschinengewehren niederzumähen. Viele NS-Zeichen, Hakenkreuze, SS-Runen, Flaggen. Und was ich persönlich am schlimmsten finde, Gewaltdarstellungen wie enthauptete Kinder, abgeschlachtete Körper, aufgespießte Köpfe. Diese Sachen stehen im Internet und Facebook hat sie als Gewaltdarstellungen auch gemeldet bekommen, aber lässt sie weiter online stehen.

Haben Sie das in öffentlich zugänglichen Facebook-Bereichen gefunden?

Chan-jo Jun: Ja, wir haben keine Freundschaftsanfragen gestellt. Wir haben nur Postings genommen, die von jedem Nutzer in Deutschland gesehen werden können. Bei 104 Postings, die nicht gelöscht worden sind, geht es nicht um eine 20-30-prozentige Fehlerquote. Sondern hier wurde nicht gelöscht. Das hat Methode. Das muss auf Anweisungen basieren. Das ist ja nicht einmal mit den Facebook-eigenen Community-Standards zu vereinbaren.

Und es kann auch nicht damit zusammenhängen, dass Facebook zur Zeit nicht mit dem Löschen der fragwürdigen Inhalte hinterherkommt?

Chan-jo Jun: Das wäre dann der Fall, wenn sie es nicht prüfen würden. Aber wir bekommen ja Antworten. Facebook sagt ja ausdrücklich, dein abgeschlachtetes Kind verstößt nicht gegen unseren Gemeinschaftsstandard. Das finde ich so empörend. Denn sie haben die Mittel. Sie können es offensichtlich prüfen und entscheiden sich dafür, die rechtswidrigen Inhalte im Internet stehen zu lassen und damit weiter zu verbreiten.

Gegen wen genau haben Sie warum Anzeige gestellt?

Chan-jo Jun: Wir haben Mitte September Strafanzeige gegen drei Facebook-Geschäftsführer der Facebook Germany GmbH wegen Beihilfe zur Volksverhetzung gestellt. Da war der Ansatz, dass die GmbH durch ihre Finanzierung das Portal unterstützt. Die zweite Strafanzeige richtet sich gegen den Nordeuropa-Chef von Facebook, Martin Ott, weil er aufgrund seiner hierarchischen Stellung die Möglichkeit hätte, auf Inhalte Einfluss zu nehmen.

Was erhoffen Sie sich, was Facebook künftig anders macht?

Chan-jo Jun: Facebook muss anerkennen, dass deutsches Recht in Deutschland gilt. Und dazu müssen sie volksverhetzende Gewaltaufrufe und Gewaltdarstellungen ab Kenntnisnahme entfernen.

(red/dpa/APA)

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