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Vor 100 Jahren: 20-Meter-Lawinenschächte und Schneechaos

Das Jahr 1914 hatte wettermäßig nicht gut begonnen.
Das Jahr 1914 hatte wettermäßig nicht gut begonnen. ©wru
Montafon. Das Jahr 1914 hatte wettermäßig nicht gut begonnen. Regen und Schnee wechselten sich nahezu täglich ab. Eine Woche lang hatte es im Silbertal stark geschneit. Der Schnee wurde immer wieder mit Regen durchnässt und war bleischwer.

Der Wasserstand des Bodensees war innerhalb von drei Tagen um 49 (!) cm gestiegen – für den Jänner höchst ungewöhnlich. Viele Haus- und Stalldächer drohten unter der Schneelast einzubrechen, zahlreiche Männer waren immer wieder mit dem Abschaufeln der Dächer beschäftigt.

Die Lawinengefahr war enorm. Am 10. Jänner 1914 wollte der 38-jährige Josef Pius Walser, Briefträger aus Innerberg, seinen gewohnten Gang machen. Im „Strengen Tobel“ war bereits eine Lawine abgegangen. Einige Leute riefen Walser nach, um ihn auf die Gefahr aufmerksam zu machen, doch dieser hörte die Rufe nicht. Prompt riss ihn eine gewaltige Nassschneelawine mit ins Tobel.  50 Mann von Innerbraz und Silbertal waren unter eigener Lebensgefahr den ganzen Nachmittag ergebnislos mit Such- und Grabarbeiten beschäftigt. Die Lawine hatte im Tobel eine Höhe von 20 Metern.

Tunnel und Schächte

Tag für Tag gruben sich insgesamt bis zu 130 Freiwillige aus Innerberg, Bartholomäberg, Schruns, Tschagguns, Gantschier und Silbertal mit Pickeln und Schaufeln in den harten Schnee. „Der Schnee ist gefroren, die Arme tun ihnen vor Anstrengung und Müdigkeit weh. Von der Statthalterei kam der Befehl, der Verunglückte müsse ausgegraben werden“, hieß es. „An mehreren Stellen wurden etwa 20 m tiefe Schächte gegraben, die sich am Grunde vereinigen. Dort wo der Weg durch das Tobel führt, ist ein 30 Schritt langer Tunnel gebaut, der durch Lampen erleuchtet wird. Von dort aus wird mit Hilfe des Baches, der unter der Lawine durchfließt, der Schnee abgeführt.“ An einer Stelle lagen sogar 3 Tunnel übereinander, von wo aus die Schneewände untersucht wurden. In den langen engen Gängen und senkrechten Schächten waren starke Nerven gefragt, unter Platzangst durften die Helfer nicht leiden.

In Innerberg selbst lag 2 m Schnee, die Schule war seit einer Woche geschlossen. Die Temperaturen waren mittlerweile auf 12 bis 14 Grad unter Null gesunken. An den Grabarbeiten beteiligten sich auch Kurat Gstach und Lehrer Khüny.   Endlich nach sieben langen Tagen wurde die Leiche des verschütteten Briefträgers am Grunde der Lawine entdeckt. Am 18. Jänner 1914 wurde der Lawinentote unter großer Anteilnahme beerdigt. „Die Leute sind froh, dass die strenge Arbeit ein Ende genommen hat“, ließ ein Berichterstatter wissen.

Bericht: Willi Rupp

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