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Vorarlbergs Blick über den Rhein ist nostalgische Verklärung

Schwarzach - Vor kurzem berichte­te VOL von einer Umfrage des Zürcher Woch­enmagazins "Weltwoche", bei der sich angeblich 52 Prozent der Vorarlberger für einen Anschluss an die Schweiz aussprechen. Unter Vorarlbergs Politikern, Entscheidungsträgern und Historikern sorgt die Umfrage aber höchstens für ein Schmunzeln.
Mehrheit würde Schweiz beitreten

Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber (V) begegnet im eigenen Land nach eigenen Angaben “wenigen Leuten, die die in der Umfrage transportierte Meinung äußern”. Er habe den Eindruck, dass die Art und die Präsentation der Befragung wohl eher von einem “Schweizer Wunsch” geprägt seien. Vorarlberg pflege seit jeher ein gutes Nachbarschaftsverhältnis mit der Schweiz und habe sich in den vergangenen Jahrzehnten hervorragend entwickelt, alles andere sei “kein Thema”.

Von einem deutlichen “Ja zu Österreich” von Vorarlberger Seite berichten auch Peter Bußjäger, Direktor des Vorarlberger Landtags und des Instituts für Föderalismus, sowie der frühere Vorarlberger SPÖ-Landesparteiobmann Arnulf Häfele. Bei der kolportieren Schweiz-Sehnsucht handelt es sich für beide um “nostalgische Verklärung”. Früher sei man aus Vorarlberg in die Schweiz einkaufen gegangen, heute sei dies umgekehrt, sagte Bußjäger. “Die Vorarlberger wollen nicht mehr aus der EU hinaus”, zeigte sich Bußjäger überzeugt. Auch habe sich das Verhältnis zur Bundeshauptstadt in den vergangenen Jahrzehnten deutlich entkrampft.

Häfele, der im Rahmen seiner Dissertation mit dem Thema in Berührung kam, sprach von einem “guten Gag”. Man sehe beim Blick über den Rhein immer nur die Vorteile, im eigenen Land hingegen nur die Nachteile. Im Jahr 1919, als sich mehr als 80 Prozent der Vorarlberger Stimmberechtigten für ein Zusammengehen mit der Schweiz aussprachen, hatten laut Häfele auch die Eidgenossen große Lust auf Vorarlberg. “Es war so, dass die Schweiz uns wollte”, sagte der heutige Kommunalpolitiker. Das habe aber der Friedensvertrag von St. Germain verunmöglicht.

Aus Historikerkreisen verlautete, dass bei solchen Umfragen oft auch tiefgreifende Widersprüche übersehen würden. So bedient sich etwa die Schweiz der Atomenergie, während Vorarlberg vehement gegen die Nutzung der Atomkraft eintritt. Auch der oft kolportierte Wunsch nach mehr direkter Demokratie wird von Bußjäger relativiert. “Der ist da, ob man es denn aber so radikal handhaben wollte wie in der Schweiz, bezweifle ich”, so der Landtagsdirektor. Die Vorarlberger seien im Großen und Ganzen mit ihrem politischen System zufrieden.

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