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Was die Jungliteratin mag

Yasemin Meteer erfreute das Publikum mit "ich mag".
Yasemin Meteer erfreute das Publikum mit "ich mag". ©Andrea Fritz-Pinggera
Yasemin Meteer ist eine weitere junge Literatin der "Junge Szene Literatur Vorarlberg". Die 19jährige Studentin (Deutsch und Musik an der PH Vorarlberg) las anlässlich der Literaturfestivaleröffnung in Hard ihren Text "Ich mag". Das Urheberrecht dieses Textes liegt bei der Autorin.

Ich mag.

Ich mag den Regen. Manchmal glaube ich, dass er nur für mich spielt und wenn es blitzt, weiß ich, dass wir ein neues Bild von uns haben.

 

Ich mag den Zug. Manchmal glaube ich, er fährt nur für mich und wenn er hält, frage ich mich, ob er möchte, dass ich aussteige.

Ich mag Blumen. Manchmal glaube ich, dass sie nur für mich wachsen und dann frage ich mich, ob sie verwelken, weil ich sie angeschaut habe.

Ich mag Steine. Manchmal glaube ich, dass die meisten grau sind, weil das meine Lieblingsfarbe ist, aber ich frag mich, warum sie dann so stur sind und nicht mit mir sprechen.

Ich mag Gläser. Manchmal glaube ich, dass sie nur für mich so zerbrechlich sind und wenn ich daraus trinke, lässt mein Mund einen Abdruck dort und ich weiß, dass ich das Glas gezeichnet habe.

Ich mag Kugelschreiber. Manchmal glaube ich, dass sie nur für mich dann nicht schreiben, wenn ich sie brauche und wenn ich dann einen anderen nehme und der dann auch nicht geht und ich wieder den ersten zur Hand nehme und er dann schreibt, frage ich mich, ob Kugelschreiber funktionieren, wenn sie eifersüchtig sind. Das ist wie bei Männern. Die funktionieren auch erst, wenn sie eifersüchtig sind.

Ich mag Kerzen. Manchmal zünde ich sie an und verbrenn mich oft, weil ich das mit den Streichhölzern noch nicht so drauf habe und wenn die Kerze dann brennt, riecht sie immer komisch und ich frage mich, ob meine Nase und die Kerze sich zerstritten haben.

Ich mag SMS. Manchmal glaube ich, dass man das nur erfunden hat, damit ich dir schreiben kann, aber immer wenn ich aufs Handy schaue, habe ich keine Nachrichten und dann muss ich mich doch fragen, ob mir mein Handy einen Streich spielt, mir die Nachrichten wegnimmt und sie selber liest.

Ich mag Sand. Manchmal glaube ich, dass ein Strand den Sand nur dort hat, damit das Salz und der Sand an meiner Haut kleben bleibt, aber dann fällt mir ein, dass ich keine Rolle dabei spiele, weil das Salz und der Sand sich so oder so gegenseitig mögen, auch ohne mich.

Ich mag Uhren. Manchmal glaube ich, dass Uhren immer dann so laut ticken, wenn ich gerade nicht darauf hören will und wenn ich auf die Uhr schauen sollte, ist sie so leise, dass ich die Zeit vergesse und dann frage ich mich, warum Uhren gerne verstecken spielen, wenn man sie doch mal braucht.

Ich mag Schokolade. Manchmal glaube ich, dass Schokolade in meinen Händen nur schmilzt, weil ich sie so gern habe.

Ich mag Schmetterlinge. Manchmal glaube ich, dass sie extra von mir wegfliegen, weil sie Angst haben, dass ich sie nicht gern haben könnte, wenn sie zu lange bei mir bleiben würden und leider haben wir das noch nicht geklärt, aber Schmetterlinge sind einfach viel zu schüchtern für solche Gespräche.

Ich mag Stecknadeln. Manchmal glaube ich, dass sie so dünn sind, damit ich mir ein Beispiel an ihnen nehme, aber dann fällt mir ein, dass ich doch nicht so scharf sein möchte, weil mich dann sonst auch alle fallen lassen würden.

Ich mag Schuhe. Manchmal glaube ich, dass meine Füße sie lieber mögen, aber oft streiten sich die beiden und am Ende kommen dann nur noch hohle Worte und Blasen raus und sie wissen dann gar nicht mehr, warum sie streiten und das tut dann einfach nur noch weh.

Ich mag Zahlen. Manchmal glaube ich, dass Zahlen Hunde sind und deshalb gerne spielen und ich versteh oft nicht, warum, wenn man einen Hund durch zwei dividiert, es zwei halbe Hunde gibt und es nicht einer bleibt und mir fällt ein, dass ich dann noch mehr Futter kaufen muss, obwohl es doch eine Division war.

Ich mag Haarsprays. Manchmal frage ich mich, ob Haarsprays Zeitstopper sind, weil wenn ich Haarspray auf meine Frisur sprühe, dann sehen meine Haare genauso aus wie vor zwei Stunden. Ich frag mich, ob man das mit Falten auch machen kann.

Ich mag Nudeln. Manchmal erinnern die mich aber an Mehlwürmer, die ich mal aufgezogen habe und wenn ich Nudeln esse, dann versuche ich immer nicht an die Mehlwürmer zu denken, weil ich eigentlich Nudeln essen mag und nicht Mehlwürmer.

Das ist wie bei dir. Ich will nicht daran denken, dass ich dich mag und an Mehlwürmer sowieso nicht und deshalb denke ich an Regen, Zug, Blumen, Steine, Gläser, Kugelschreiber, Kerzen, SMS, Sand, Uhren, Schokolade, Schmetterlinge, Stecknadeln, Schuhe, Zahlen, Haarsprays und Nudeln, die…

…ich mag. Manchmal glaube ich, dass ich zu viel mag und dann fällt mir wieder ein, dass es doch zu wenig ist, weil wenn ich etwas viel mögen würde, dann müsste ich doch lieben und dann frage ich mich wieder, warum ich dich nicht liebe und warum mich die Liebe nicht mag.

Yasemin Meteer

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