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Wenn die Kirche vor Gericht lädt

Feldkirch - 1000 Vorarlberger haben von der Kirche eine gerichtliche Ladung bekommen. Das letzte Mittel, um Zahlungsunwillige zu erreichen.

Post vom zuständigen Bezirksgericht ist bei zahlreichen Vorarlbergern unlängst ins Haus gefl attert – mit der Anberaumung eines Vergleichsversuchs mit der Diözese Feldkirch. Die Empfänger haben allesamt „den ihnen vorgeschriebenen Kirchenbeitrag trotz mehrfacher Mahnung bis heute nicht bezahlt“, so der Vorwurf. In diesem Jahr war das Schreiben einmal mehr an knapp 1000 Katholiken gerichtet.

15 Zahlungserinnerungen

„Diese Zahl ist seit Jahren konstant“, sagt Andreas Weber, Finanzkammer-Direktor der Diözese Feldkirch. Dabei handele es sich aber um kein gerichtliches Verfahren, sondern um einen „ungeprüften bedingten Zahlungsbefehl“, will die Diözese Feldkirch betont wissen. Es sei sozusagen ein letztes Mittel, um die Zahlungsunwilligen zu erreichen – mit der Unterstützung einer staatlichen Stelle. Um diesen Schritt zu vermeiden, würden innerhalb von 2,5 Jahren exakt 15 Zahlungsaufforderungen verschickt und der Betroff ene telefonisch kontaktiert.

Hinfällig wird der Termin beim Bezirksgericht dann, wenn der off ene Kirchenbeitrag im Vorfeld bezahlt oder eine außergerichtliche Vereinbarung mit der Kirchenbeitragsstelle getroff en wird. Nach Erhalt des Briefes melden sich laut Diözese 600 von den 1000 Empfängern umgehend bei der Kirchenbeitragsstelle. Übrig bleiben 400, die der Vorarlberger Kirche knapp 160.000 Euro schulden.

Der Rechtsstreit ist beigelegt, wenn der Geladene bei Gericht – beim sogenannten Vergleichsversuch – erscheint und dabei eine Einigung mit der Diözese erzielt. Mit einem Drittel der Zahlungsunwilligen würde eine Lösung gefunden, ein anderes Drittel wäre gar vom Kirchenbeitrag befreit – Arbeitslose, Notstandsoder Sozialhilfeempfänger, Schüler, Studenten, Lehrlinge, Präsenz- oder Zivildiener. „Hier würde ein Anruf in der Kirchenbeitragsstelle genügen. In solchen Situationen ist die Kirche die letzte Institution, die noch Geld fordert“, unterstreicht Weber. Mit dem Griff zum Telefon würde der Kirchenbeitragsstelle zudem viel Verwaltungsaufwand erspart – immerhin nehmen die Mahnabläufe rund 40 Prozent der gesamten Arbeitszeit in Anspruch.

„Wiederholungstäter“

Erscheint der Geladene jedoch nicht bei Gericht oder es kommt zu keiner Einigung, muss mit einer Klage und in der Folge mit einer Exekution gerechnet werden. Das betriff t pro Jahr knapp 130 Vorarlberger – sogenannte „Wiederholungstäter“, die nicht nur bei der Kirche säumig seien.

18,8 Millionen Euro In Vorarlberg bezahlen jährlich 160.000 Katholiken durchschnittlich 118 Euro Kirchenbeitrag. Die Gesamteinnahmen der Vorarlberger Diözese durch den Kirchenbeitrag belaufen sich somit auf rund 18,8 Millionen Euro pro Jahr. Rund acht Millionen Euro davon werden in bauliche Maßnahmen zur Erhaltung wichtiger Kulturgüter investiert.

Da das Budget der Diözesen zu 85 Prozent aus dem Kirchenbeitrag gespeist wird, stellt dieser die tragende Säule der Finanzierung der kirchlichen Dienste und Leistungen dar. Der Rest der Gelder kommt im Wesentlichen aus der sogenannten staatlichen Wiedergutmachung, einem jährlichen Beitrag des Staates für die Abtretung von ehemals kirchlichen Besitztümern an den Staat nach dem Zweiten Weltkrieg.

Fakten:

  • 11 Prozent der beitragspflichtigen Mitglieder bekommen laut Diözese Feldkirch jährlich eine 1. Mahnung.
  • 90 Prozent der Katholiken zahlen jährlich unter 400 Euro Kirchenbeitrag
  • 800 Mitarbeiter sind bei der katholischen Kirche in Vorarlberg tätig

Kirchenbeitrag:

  • Der Kirchenbeitrag ist ein Überbleibsel des nationalsozialistischen Regimes. Bis zum Jahr 1939 wurde die katholische Kirche in Österreich weitgehend aus dem „Religionsfonds“ (Erträge des von Kaiser Franz Joseph II. eingezogenen Kirchenvermögens) und durch staatliche Zahlungen fi nanziert.
  • Die Einhebung von Kirchenbeiträgen ist für den staatlichen Bereich durch das Gesetz vom 28. April 1939, verlautbart im „Gesetzblatt für das Land Österreich“ Nr. 543/1939, mit Wirksamkeit vom 1. Mai 1939 geregelt. Dieses Gesetz wurde durch das Rechtsüberleitungsgesetz vom 1. Mai 1945, Staatsgesetzblatt Nr. 6, in die österreichische Rechtsordnung übernommen.
  • der Kirchenbeitrag beträgt 1,1 Prozent vom steuerpflichtigen Einkommen (Brutto-Einkommen minus Sozialversicherung). Davon abgezogen wird der allgemeine Absetzbetrag von 50 Euro (für 2011).
  • Jedes Mitglied der kath. Kirche ist verpflichtet, mit der Vollendung des 18. Lebensjahres einen Kirchenbeitrag zu leisten – die erste Vorschreibung erfolgt jedoch erst im 20. Lebensjahr.

(VN-GER)

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