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Wenn Winterfrust zur Krankheit wird: Herbst-Winter Depressionen

Kein "Winterblues", sondern eine Erkrankung: Die Herbst-Winter Depression.
Kein "Winterblues", sondern eine Erkrankung: Die Herbst-Winter Depression. ©bilderbox/Symbolbild
Kürzere Tage, kältere Temperaturen, wenig Sonnenlicht - der Winter kann neben all seinen schönen Seiten auch ziemlich lang sein. Wenn der Frost aber nicht nur Frust mit sich bringt, sondern eine tiefere Antriebs- und Freudlosigkeit, könnte es auch eine richtige Krankheit sein: Eine Herbst-Winter Depression.

Wann ist die Lustlosigkeit, die ein langer Winter oft mit sich bringt, tatsächlich eine ernstzunehmende Krankheit? Woran erkennt man die Anzeichen auf eine tatsächliche Herbst-Winter Depression? Und was kann man dagegen tun?

Herbst-Winter Depression: Eine depressive Erkrankung

Wir sprachen mit einer Expertin: Dr. Pia Baldinger, behandelnde Ärztin auf der SAD-Ambulanz, der “Spezialklinik für Saisonal Abhängige Depressionen”. Diese Ambulanz der Klinischen Abteilung für Allgemeine Psychiatrie am AKH Wien hilft Menschen, die an einer Herbst-Winter Depression leiden. 

 

Was genau ist eine Herbst-Winter-Depression?

Dabei handelt es sich um eine depressive Erkrankung, die jedes Jahr mit der kalten Jahreszeit einhergeht und im Frühling eine Spontanremission erlebt – sprich oft auch von selbst wieder verschwindet.

Tritt diese Erkrankung häufig auf?

Dazu gibt es mehrere Studien. Manche sagen, dass 1 bis 10 Prozent der Bevölkerung darunter leidet bzw. 20 Prozent aller Depressiven auch diese besondere Erkrankung kennen. Das kann natürlich auch sehr vom Ort abhängen: In Norwegen etwa gibt es viel mehr, weil dort die Tage einfach viel dunkler sind.
 
Kann man sagen, dass manche Menschen mehr dazu tendieren als andere?

Es ist bekannt, dass Frauen doppelt so oft an einer Depression erkranken als Männer. Auch bei der Herbst-Winter Depression gibt es wie bei jeder anderen einen hormonellen Hintergrund: Wenn der Melatoninspiegel zu hoch ist und den Serotoninspiegel übersteigt.

Das bedeutet?

Das Melatonin ist das Hormon, das den Tag-Nacht-Rhythmus quasi reguliert. Es wird bei Dunkelheit ausgeschüttet, etwa wenn wir schlafen. Das ist normal. Wenn nun aber die Tage kurz und immerzu dunkel sind, übersteigt das Melatonin manchmal zu sehr das “Glückshormon” Serotonin, das ja anti-depressive Wirkung hat. Der Rhythmus kommt somit völlig durcheinander.

Dazu treten äußere Faktoren: Stress, Umweltbelastungen, … das alles trifft dann zusammen und – so vermutet man heute – kann die Depression auslösen.

Welche Symptome lassen sich bei der Herbst-Winter-Depression erkennen ?

Ähnliche wie bei der Depression, Antriebslosigkeit etwa. Aber: Bei Depressionen leidet man oft an Schlafstörungen und Appetitlosigkeit. Anders bei der Herbst-Winter Depression, denn da möchte der Betroffene fast nur noch schlafen und essen. man hat sogar Heißhungerattacken. Gewichtszunahme ist eine häufige Folge dieser depressiven Erkrankung.
 
 Ab wann ist eine ärztliche Behandlung notwendig?

Eine echte Herbst-Winter Depression kann man nicht in nur einem Winter erkennen, sie muss nachweislich mehrmals in Erscheinung treten, etwa zwei, drei Jahre in Folge. Das ist ein entscheidender Hinweis. Auch, dass es plötzlich im Frühling wieder besser wird …

Wenn diese Depression nun nicht einfach nur ein “Winterblues” ist, sondern das alltägliche Leben massiv belastet, wird eine Behandlung der nächste notwendige Schritt sein.

Wie behandelt die SAD-Ambulanz des AKH Wien?

Diese spezielle Ambulanz gibt es etwa seit Mitte der 1990er. Es muss ein Termin vereinbart werden, denn man will sich für jeden Patienten entsprechend Zeit nehmen. Mit Hilfe von Fragebögen, die genau “Scores” erzielen sollen, ermittelt man, ob es sich tatsächlich um eine Herbst-Winter Depression handelt.  

Wenn dies nun der Fall ist, geht man zur Therapie über: Die Lichttherapie.

Wie wird diese Therapie angewendet?

Sie erfolgt mit einem eigenen Lichttherapiegerät: Große Lampen mit einer Lichtstärke von 10.000 Lux. Es ist wichtig, dass die Geräte genau diese Stärke haben, sowie einen UV-Schutzfilter. Man kann sie nämlich auch regulär im Handel kaufen, muss aber aufpassen und auf diese Punkte achten, da viele Anbieter nur einen “Wellness-Blödsinn” verkaufen wollen …

Der Patient muss sich bei der Therapie täglich in der Früh 45 Minuten vor das Licht setzen und immer wieder hineinblicken – daher auch der UV-Filter. Es gibt dabei fast nie Nebenwirkungen. Wichtig ist, dass man die Behandlung nicht am Abend macht, da das Licht den inneren Anrieb steigert und es denn zu Schlafstörungen kommen könnte.

Die positive Wirkung wird bei täglicher Behandlung nach rund 5 Tagen bemerkbar.

Wann ist eine medikamentöse Therapie sinnvoll?

Etwa 30 Prozent der Herbst-Winter Depressiven spricht auf die Lichttherape nicht an – dann werden Medikamente notwendig. Wichtig ist, sich dabei wirklich von Fachleuten behandeln zu lassen, um die Depression wirklich in den Griff zu bekommen.

Mehr Informationen zur SAD-Ambulanz und zur Herbst-Winter Depression hier.

 

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