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Zum Filmstart von "Dunkirk": Regisseur Christopher Nolan im Interview

"Dunkirk"-Regisseur Christopher Nolan im Interview
"Dunkirk"-Regisseur Christopher Nolan im Interview ©Warner Bros.
Mit seinem von Kritikern rund um den Globus gefeierten historischen Kriegsfilm "Dunkirk" meldet sich der britische Regisseur Christopher Nolan ("The Dark Knight"-Trilogie, "Inception") auf der großen Leinwand zurück.
Kritik zu Dunkirk

Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa und weiteren Medien erzählt der 46-Jährige Filmemacher unter anderem von den Schwierigkeiten, historische Fakten für ein Kinopublikum attraktiv aufzubereiten und den Einfluss Alfred Hitchcock auf sein Schaffen.

Wie sehr kann man sich an die tatsächlichen Fakten halten, wenn man Kino-Unterhaltung schaffen will?

Christopher Nolan: Das ist sehr knifflig. Ich hab mich dazu entschieden, eine Welt der Evakuierung zu schaffen und dann fiktive Charaktere dort durchlaufen zu lassen. Denn ich wollte nicht für echte Menschen sprechen, die nicht mehr für sich selbst sprechen können. Als Drehbuchautor weiß ich, wie viel Künstliches man zu einer Charakterisierung hinzufügen muss, damit man dem Publikum die Wahrheit zeigt. Früher wusste ich nie, was Werner Herzog mit der ekstatischen Wahrheit meinte, bis ich diesen Film gemacht habe. Denn manchmal gibt es eine Lüge, die die Wahrheit erzählt. Man muss Dinge fiktionalisieren und künstlich dramatisieren, damit das Publikum die Wahrheit dahinter versteht. In diesem Film wollte ich das Ausmaß der Evakuierung zeigen. Mit fiktiven Charakteren hab ich mich dabei wohler gefühlt.

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(Nolan mit Darsteller Kenneth Branagh (rechts) beim Dreh © Warner Bros.)

Der Film zeigt die Ereignisse auf drei Ebenen und zu unterschiedlichen Zeiten. Wie haben Sie das Skript konzipiert?

Ich habe das so wie auch schon andere Drehbücher geschrieben, insbesondere “Memento”. Ich hab einen strukturellen Entwurf gemacht, von dem ich dachte, dass er die Geschichte gut rüberbringen kann. Ich wollte das Ausmaß der Evakuierung zeigen, ohne die Sicht der einzelnen Personen aus dem Auge zu verlieren. Deswegen habe ich keine Politiker und Generäle mit Landkarten in irgendwelchen Sälen gezeigt. Mit den drei Zeitlinien wollte ich dem Publikum die menschliche Perspektive und gleichzeitig den gesamten Überblick geben. Ich habe also eine geografische und mathematische Struktur für das Drehbuch kreiert und daraufhin den Film geschrieben, den Sie jetzt sehen. Das ist mir lieber, als Szenen zu schreiben, nachher hin- und herzuschieben und zu schneiden.

Der Film wurde im IMAX-Format und in 70 Millimeter gedreht. Aber nicht jede Stadt hat ein IMAX-Kino oder einen 70-Millimeter-Projektor. Kann man den Film dann überhaupt angemessen sehen?

Wenn man die Bilder im bestmöglichen Format aufnimmt, dann profitiert davon auch jede andere Version, die produziert wird, auch die digitalen Versionen, auf die wir sehr viel Zeit verwendet haben. Natürlich bieten die Kinos, die einen 70-mm-Projektor haben, eine besondere Leistung. Deshalb empfehle ich auch jedem, der die Möglichkeit dazu hat, den Film dort zu sehen. Aber für alle, die das nicht können, haben wir sieben verschiedene digitale Versionen erstellt, auf die ich sehr, sehr stolz bin.

Also sehen trotzdem alle denselben Film?

Naja, der Film hat im IMAX-70-mm-Format das größte Seitenverhältnis und die höchste Bildqualität, die es überhaupt gibt. Davon haben wir nur 38 Kopien, und das ist eine wunderbare Art, den Film zu sehen. In dem Format haben wir den Film gedreht, diese Kopien sind direkt von den Originalnegativen, das ist also schon etwas Besonderes und intensiviert das Erlebnis noch. Aber die Geschichte, die wir erzählten, bleibt trotzdem diese Geschichte.

Wie sehr kann ein Film, in dem es um wahre Ereignisse im Krieg geht, der dramatische Szenen zeigt, als Unterhaltung gelten? Wie passt das zusammen?

Der Grund, warum ich das Kino liebe, ist, dass dich die große Leinwand überall hinbringen und alles machen kann, diese Vielfalt der Erlebnisse, die wir als Unterhaltung einstufen. Es gibt sehr viele Arten, unterhalten zu werden. Nehmen Sie zum Beispiel Horrorfilme, das ist ein Extrem – man hat Angst, aber auch irgendwie Spaß. Bei “Dunkirk” haben wir versucht, Spannung zu schaffen. Wir zeigen nichts Blutiges, nichts, was einen dazu verleitet, von der Leinwand wegzuschauen. Das ist die Sprache der Spannung, eine der populärsten in der Filmgeschichte.

Denken Sie an die großen Filmregisseure. (Alfred) Hitchcock stand sicherlich ganz oben auf der Liste. In all seinen Filmen ging es um die visuelle Sprache der Spannung, und er hatte großen Einfluss auf mich. Und ich glaube nicht, dass jemand bestreiten kann, dass Hitchcock in erster Linie Unterhaltung geschaffen hat. Es klingt seltsam in Zusammenhang mit einem Film über ein reales Drama, aber daraus leitet sich auch die Spannung um diesen Film ab. Normalerweise sage ich zu den Leuten bei der Premiere: Genießen Sie den Film. Aber das fühlt sich nicht richtig an. Deshalb hab ich hier lieber gesagt: Erleben Sie den Film. Denn es geht eher ums Erlebnis als ums Vergnügen. Trotzdem fällt das alles in die Kategorie Unterhaltung.

(Die Fragen stellte u.a. Philip Dethlefs / dpa / APA / Red.)

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