AA

"Zum Schlägern muss man nicht in den Wald fahren"

Feldkirch (VN) - Mordfall Bekir C.: In knapp einem Monat müssen Vater und Sohn wegen Kapitalverbrechen auf der Anklagebank Platz nehmen.
Bekir C.: Prozess am 3. März
Die letzten Stunden von Bekir C.

Auf 16 Seiten beschreibt die Anklagebehörde, warum sie überzeugt ist, dass die Tatverdächtigen den 26-jährigen türkischstämmigen Bekir C. Mitte Mai vergangenen Jahres am Hochhäderich umbrachten. Der Vater schoss, dem Sohn war es egal, so der Vorwurf. Das Beweisverfahren wird allerdings knifflig. Es gibt keine unmittelbaren Augenzeugen und die Beweise werden von der Verteidigung als „dürftig“ bezeichnet.

Zudem streiten beide Angeklagten Mord vehement ab. Fakt ist, dass dem jungen Mann, der mit der Tochter des 56-jährigen Beschuldigten aus Anatolien ein heimliches Verhältnis hatte, aus wenigen Zentimetern in den Kopf geschossen wurde. Todesursache war Blutverlust und Luftembolie. Mit 15 bis zwanzig Minuten setzt die Gerichtsmedizin das Sterben des Opfers an, dabei war es allerdings tief bewusstlos. Warum der Streit zwischen den beiden Angeklagten und dem Opfer, die sich so gut wie gar nicht kannten, eskalierte, dürfte mit den Moralvorstellungen des 56-Jährigen zusammen hängen.

 

Streng und stur

Der Erstangeklagte ist Vater von fünf Kindern. Er arbeitete in der Türkei als Maurer und Verputzer und besuchte in Izmir für eineinhalb Jahre die Polizeischule. In Vorarlberg war er zuletzt arbeitslos, hatte viel Zeit und verbrachte diese offensichtlich damit, das Leben seiner 29-jährigen Tochter zu kontrollieren. „Er ist stur und starrköpfig, geschlagen hat er mich aber nie“, erzählt die Frau bei ihrer Einvernahme. Als Bekir sie damals betrunken aufsuchte, ist er vermutlich aus Zufall auf den Vater getroffen. Es gab einen Streit, wobei die junge Frau angeblich hörte, dass ihr Vater den Besucher zunächst wegen seiner Trunkenheit am Steuer zur Rede stellte. Danach sollen Vater und Sohn den Betrunkenen offenbar in ihrem Auto verschleppt haben. Der Vater habe ihn dann aus nächster Nähe erschossen. Der Sohn habe gewartet. Dieses mehr oder weniger aktive „Mitmachen“ wird dem erst 18-Jährigen als Mord durch Unterlassung angelastet. Bis zum Prozess bleibt der junge Mann weiterhin auf freiem Fuß.

 

Nichts unternommen

Der Erstangeklagte bestritt bislang jede Verbindung zu dem Verbrechen. „Ich bin kein Terrorist“, verweigerte er zunächst auch die Auswertung seiner Handydaten. „Dabei ergab sich, dass er sich zum Tatzeitpunkt keineswegs wie behauptet im Rheintal aufhielt“, stellt die Anklage fest. Interessant wird auch die Frage, inwieweit man dem Sohn des Erstbeschuldigten Mord durch Unterlassung anlasten kann. Der 100 Kilo schwere Bursch gab zunächst an, er sei nur deswegen mitgefahren, damit „die beiden keinen Blödsinn machen“. Nach und nach räumte der Einvernommene jedoch ein, dass er sich gedacht habe, dass sein Vater Bekir umbringen könnte. „Zum Schlägern muss man ja nicht in den Wald fahren“, begründete er seine Aussage.

Für die Staatsanwaltschaft ist auch der Junge des Mordes schuldig. Die Begründung: Er hielt Bekir C. zunächst im Auto seines Vaters fest und brachte ihn somit in die tödliche Gefahrensituation. Als sich diese dann klar darstellte, ließ er das Opfer allein und unternahm nichts, um Bekir zu retten. Auf die Geschworenen kommen jedenfalls auch juristisch schwierige Fragen zu. Wie der 3. März für die zwei Angeklagten endet, ist also völlig offen. Die beiden Beschuldigten werden in dem Indizienprozess jedenfalls ausgiebig Gelegenheit bekommen, den Geschworenen ihre Version darzulegen.

  • VIENNA.AT
  • Vorarlberg
  • "Zum Schlägern muss man nicht in den Wald fahren"
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen