Zweiter Auftritt des LSO in Grafenegg
Eigentlich hätte Sir Colin Davis den Abend dirigieren sollen. Nach dessen Ableben im Frühjahr dieses Jahres hatte Znaider, u.a. Principal Guest Conductor des Orchesters des Mariinsky-Theaters St. Petersburg, das am kommenden Sonntag unter Valery Gergiev in Grafenegg gastiert, den Termin übernommen. Beim Brahms-Violinkonzert hätte man ihn sich durchaus als Solisten gewünscht, nicht zuletzt eingedenk seiner prächtigen Einspielung mit den Wiener Philharmonikern unter Gergiev, der wiederum als LSO-Chefdirigent fungiert. Doch Frank Peter Zimmermann erwies sich als durchaus ebenbürtig und überzeugte auf seiner Stradivari mit schönem Ton und souveräner Technik. Die Londoner sorgten für klare Konturen, Znaider leuchtete die Strukturen des Werks aus, vermochte aber weder besondere Innigkeit noch differenzierte Dramatik zu vermitteln.
Dieses Manko verstärkte sich leider bei Tschaikowskys Vierter. Viel zu klobig kam schon der erste Satz mit seinen Walzeranklängen daher, zu dick klang es meist ins Auditorium. Abgesehen von einigen verschmierten Bläsereinsätzen wirkte das Orchester zwar bestens disponiert, und doch hatte man den Eindruck, einem Soundtrack ohne Film beizuwohnen. Am Donnerstag und Freitag geht es in Grafenegg weiter mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra unter Manfred Honeck, am Samstag sind wieder die Tonkünstler NÖ an der Reihe mit der Uraufführung des Trompetenkonzerts von Brett Dean, Composer in Residence, am Sonntag folgen eine Matinee mit Diana Damrau sowie am Abend die St. Petersburger unter Gergiev mit Rudolf Buchbinder. Am Montag bringen die Wiener Philharmoniker unter Lorin Maazel Werke von Wagner mit Eva-Maria Westbroek, Peter Seiffert und Matti Salminen in den Wolkenturm – wenn das Wetter es erlaubt.