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Zwischen Theorie und Praxis: Wie viel Macht der Bundespräsident wirklich hat

Wie mächtig ist der Bundespräsident in Österreich?
Wie mächtig ist der Bundespräsident in Österreich? ©APA/Hans Klaus Techt
Regierung entlassen, Minister nicht angeloben, kaum absetzbar. Wie starkt ist das Amt des österreichischen Bundespräsidenten wirklich?

“Allmachtsfantasien” sind für das Amt des Bundespräsidenten nicht angebracht, befand der im Juli scheidende Amtsinhaber Heinz Fischer. Auch der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger nennt Gedankenspiele über die Entlassung der Regierung oder die Auflösung des Nationalrates “Machtphantasien, die keinen realen Hintergrund haben”.

Denn das Amt des Staatsoberhauptes sei zwar “kein ganz schwaches”, aber “auf keinen Fall ein starkes Amt”. In der Frage der Angelobung müsse der Bundespräsident eine Regierung, die im Nationalrat eine Mehrheit hat, im Grunde genommen akzeptieren. Das habe sich 2000 gezeigt, erinnerte Öhlinger an die schwarz-blauen Koalition.

Damals zeigte sich, wie eingeschränkt der Präsident bei der Regierungsbildung de facto ist: Während der von Bundespräsident Thomas Klestil präferierte Sozialdemokrat Viktor Klima “Sondierungsgespräche” führte, verhandelte die ÖVP nach der 1999er Wahl mit der FPÖ und stellte Klestil schließlich vor vollendete Tatsachen. Er musste die schwarz-blaue Koalition im Februar 2000 gegen seinen Willen angeloben. Klestil blieb es nur noch vorbehalten, zwei Freiheitliche von der Ministerliste zu streichen.

Bundespräsident: Theorie vs. Praxis

Rein nach dem Buchstaben der Verfassung hat der österreichische Bundespräsident freilich zumindest theoretisch eine starke Position – und die stärkste Rolle hat er bei der Regierungsbildung. Direkt vom Volk gewählt ist er faktisch unabsetzbar und hat formell freie Hand bei der Ernennung des Bundeskanzlers sowie bei der Absetzung der Regierung. In der Praxis ist die Macht des Präsidenten allerdings stark eingeschränkt. Die Absetzung einer Regierung durch den Bundespräsidenten ist bisher nie vorgekommen.

Bei der Regierungsbildung nach Wahlen hat er freie Hand bei der Nominierung des Bundeskanzlers und darf einzelne Minister ablehnen, wenn er sie für ungeeignet hält. Zudem kann er die gesamte Regierung (nicht aber einzelne Minister) ohne nähere Begründung absetzen. De facto kann der Präsident bei der Regierungsbildung aber nicht gegen den Willen der Parlamentsmehrheit agieren, da der Nationalrat jede Regierung mit einfacher Mehrheit kippen kann.

Abgesehen von Regierungsbildung und -absetzung ist der Bundespräsident in seinem Handeln grundsätzlich an Vorschläge der Bundesregierung gebunden. Eine seiner zentralen Funktionen neben der Ernennung der Bundesbeamten ist die Überprüfung des verfassungsmäßigen Zustandekommens der Bundesgesetze, wobei hier explizit keine inhaltliche Beurteilung der Gesetze vorgesehen ist. Heinz Fischer war der erste Bundespräsident, der ein Gesetz nicht unterschrieb: 2008 gab er einer Novelle zur Gewerbeordnung nicht seine Zustimmung, weil eine Verwaltungsstrafbestimmung noch vor der Kundmachung des Gesetzes in Kraft treten sollte.

So könnte der Bundespräsident abgesetzt werden

Außerdem obliegt dem Bundespräsidenten die Vertretung der Republik nach außen, er ist Oberbefehlshaber des Bundesheeres und ist zuständig für Begnadigungen. Äußerst schwierig ist die Absetzung des vom Volk gewählten Staatsoberhauptes. Die Verfassung sieht lediglich zwei Möglichkeiten vor: Erstens eine Anklage vor dem Verfassungsgericht wegen Verletzung der Bundesverfassung. Zweitens eine von der Bundesversammlung auf Antrag des Nationalrates (Zwei-Drittel-Mehrheit) zu beschließende Volksabstimmung – ein für Regierung und Abgeordnete sehr riskanter Weg: Sollte das Volk die Absetzung ablehnen, gilt der Nationalrat als aufgelöst. Neuwahlen wären die Folge.

Seine stärksten Kompetenzen erhielt der Bundespräsident erst durch die Verfassungsnovelle von 1929. Sie brachte die von vier auf sechs Jahre verlängerte Amtsperiode und die Möglichkeit, die Regierung zu entlassen sowie (auf Vorschlag der Regierung) den Nationalrat aufzulösen. Eingesetzt wurde diese Machtfülle aber nur ein einziges Mal von Wilhelm Miklas im Jahr 1930; die folgenden Wahlen brachten aber nicht das gewünschte Ergebnis, sondern eine schwere Schlappe für die regierenden Christlich-Sozialen. Die ebenfalls ab 1929 vorgesehene Volkswahl kam erst zwei Jahrzehnte später erstmals zur Anwendung. Erster direkt gewählter Präsident war 1951 Theodor Körner.

(APA, Red.)

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